Neuner: „Ich hätte zerbrechen können“
Anni Friesinger, Lena Neuner und Felix Neureuther: Vor Olympia sprechen die Topstars über Versagensängste, Burn-Out und Depression.
WHISTLER In der Nacht zum Samstag geht es los: Olympia! Höhepunkt eines jeden Sportlerlebens. Eigentlich sollte man meinen, dass alle Athleten vor Motivation und Vorfreude fast platzen, alles Negative ausblenden und nur „nach vorn schauen“, wie es so schön heißt. Doch nun haben zwei deutsche Medaillenhoffnungen Stärke bewiesen und unerwartete Einblicke in ihre zuweilen fragile Gefühlswelt gegeben. Magdalena Neuner und Felix Neureuther sprachen mit dem Magazin „Stern“ über Verzweiflung, Versagensangst und wiederkehrende schlimme Träume. Und Anni Friesinger-Postma litt gar unter dem Burn-out-Syndrom: „Ich war fertig.“
Am Dienstag hat Magdalena Neuner im Klubhaus des Golfvereins „Nicklaus North“ in Whistler ihren 23. Geburtstag gefeiert. Sechs Weltmeistertitel hat sie schon gewonnen, doch das 7,5-Kilometer-Sprintrennen am Samstag wird ihr erster Start bei Olympia sein. Mal wieder ein Rennen mit ungewissem Ausgang, denn Neuner gilt als „Nerverl“, als Wackelkandidat am Schießstand. Sie weiß das: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nie eine gute Schützin werde."
2009, nach ihren großen Erfolgen, sei sie in eine Krise geraten, weil sie zu viele Termine wahrgenommen habe. Zudem habe ein Stalker gedroht, sie zu ermorden. Sie sei zwar nicht depressiv gewesen, aber „es gab eine Phase, in der ich sagte, ich kann, ich will nicht mehr. Ich hätte zerbrechen können. Manchmal hatte ich vom Telefonklingeln Angst, weil ich dachte, es will schon wieder jemand was von mir". Vor Olympia habe sie einiges geändert, sich einem Heilpraktiker anvertraut: „Viele Dinge waren in meinem Inneren weggeschlossen. Jetzt kommen sie endlich raus.“ Außerdem falle es ihr schwer, Triumphe zu genießen: „Ich bewundere die Leute, die sich von Herzen Freude oder gar weinen. Ich konnte das nie."
Auch Slalom-Spezialist Felix Neureuther offenbarte dem „Stern“ seine Nöte, die ihn jahrelang plagten, bis er in Kitzbühel seinen ersten Weltcup gewann: „Ich habe mich schon vor Rennen gefragt, wie es sein wird, wenn ich wieder verliere. Es ging nur noch darum, dieses Gefühl zu vermeiden." Jedes Ausscheiden habe ihn demoralisiert, sagte der 25-Jährige, auch weil er der Sohn der Skistars Christian Neureuther und Rosi Mittermeier sei. „Ich nehme die Emotionen aus meinem Umfeld extrem auf. Es gab schon Zeiten, da wäre ich gern jemand anders gewesen."
Erschütternde Sätze. Erfreulich jedoch, dass es immer mehr Sportler gibt, die zu Schwächen stehen. Auch die zuletzt von Verletzungen und Verbandsquerelen arg gebeutele Anni Friesinger-Postma bekannte sich in „Sport Bild“ zu Problemen nach Olympia 2006: „Ich war ausgebrannt, müde, kaputt, ziemlich close vorm Aufhören. Das war Burn-out. Ich habe einfach kein Licht mehr gesehen.“tbc