Neuner: Flucht vor den Fans?

Der Biathlon-Superstar redet in der AZ über ihre Krankheit, lästige Fans an der Tür und ihren großen Wunsch nach Ruhe.
von  Abendzeitung
Daheim in Wallgau hat sie kaum noch Ruhe: Biathlon-Star Magdalena Neuner denkt an Flucht.
Daheim in Wallgau hat sie kaum noch Ruhe: Biathlon-Star Magdalena Neuner denkt an Flucht. © dpa

Der Biathlon-Superstar redet in der AZ über ihre Krankheit, lästige Fans an der Tür und ihren großen Wunsch nach Ruhe.

AZ: Frau Neuner, Wintersportler wie Sie sehnen sich bestimmt im Sommer nach Ferien in der Wärme. Wo in den Süden hat es denn Sie hingezogen?

MAGDALENA NEUNER: Nirgends. Nur in den Norden. Nach Norwegen. Das war wundervoll. Eine gemütliche Hütte, den ganzen Tag Regen bei sechs Grad, angeln, joggen, spazieren gehen oder blöd auf dem Sofa herumliegen und das Handy aus haben. Die absolute Ruhe. Ich habe das gebraucht, weil ich schon wusste, was in den nächsten Monaten wieder auf mich zukommt.

Nämlich jede Menge Trubel. Graut es Ihnen schon davor?

Eigentlich nicht. Ich bin heiß auf die Wettkämpfe. Aber es gibt im Winter oft Momente, wo ich mir denke: Warum mache ich den Schmarrn eigentlich noch? Wo ich im Zimmer sitze und sage: Ich fahr’ jetzt heim, ich habe keinen Bock mehr. Aber dann gehe ich am nächsten Tag wieder raus, und dann ist alles nur noch halb so schlimm. Ich habe viel Erfahrung gesammelt in den letzten beiden Jahren, öfters „nein“ zu sagen, mir mehr Auszeiten zu nehmen. Auch der Sommer war sehr lehrreich, denn der war – abgesehen vom Urlaub – auch nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte.

Warum denn das?

Ich hatte gesundheitliche Probleme, einen Darmpilz. Den hat jeder, nur wenn’s überhand nimmt, dann ist es schlecht. Das hat sich sechs Wochen lang hingezogen, ich durfte keine Kohlenhydrate mehr essen und kein Obst. Das ging von Mitte Juli bis Ende August. Ausgelöst war das sicher auch durch den Stress. Es hat mir die Augen geöffnet, nicht mehr vom einen Ding zum anderen zu hetzen, nur um allen gerecht zu werden. Inzwischen bin ich wieder gesund, das ist alles ausgestanden. Ich denke einfach, das war auch ein Zeichen, dass der Körper gesagt hat: Jetzt ist aber mal Schluss.

Eine so rasante Karriere wie Ihre ist sicher nicht nur für den Körper schwer zu verkraften, auch für die Seele.

Der Spaß ist unvermindert, und Erfolg ist auch etwas Wunderschönes. Ich weiß, ich habe meinen Traumberuf gefunden, und dass man Tage hat, an denen es weniger Spaß macht, ist ja in jedem Beruf ganz normal. Was mir nur viel mehr zu denken gibt, ist, dass meine Privatsphäre immer kleiner wird.

Daheim in Wallgau?

Ja. Diesen Sommer war es besonders schlimm. Da kommen Menschen, die sind so dreist, dass sie bei mir einfach durchs Fenster reinschauen und im Garten auf dem Grundstück spazieren gehen. Wenn ich daheim bin, klingelt es alle halbe Stunde an der Tür, und dann stehen Menschen draußen und fragen, ob ich eine halbe Stunde für sie Zeit hätte. Aber das geht ja nicht. Ich habe ja auch noch meinen Haushalt und auch sonst zu tun daheim.

Sind die Leute dann beleidigt über die Absage?

Teilweise. Die können dann schon eingeschnappt sein, die sagen dann: „Aber wir sind doch Ihre Fans.“ Das weiß ich auch, ich Freude mich über alle meine Anhänger, über jede Fanpost, und wenn einer mal klingelt, um geschwind ein Autogramm zu haben, dann ist das ja gar kein Problem. Es ist schön zu sehen, dass man viele Fans hat. Aber es ist schade, dass manche gar keinen Respekt vor der Privatsphäre haben. Ich würde ja auch nie auf die Idee kommen, irgendwo hin zu fahren und bei jemandem an der Tür zu läuten, den ich gar nicht kenne.

Denken Sie daran, aus Ihrer Heimat wegzuziehen?

Ich habe immer gesagt, ich würde nie weggehen aus Wallgau, aber dieser Sommer war an der Belastungsgrenze. Manchmal will ich einfach nur abhauen, in irgendein einsames Nest, wo mich keiner kennt.

Oder in die Großstadt. Anni Friesinger zog auch von Inzell nach Salzburg, wo sie es viel ruhiger hat, weil sie halbwegs in der Anonymität abtauchen kann. Warum ziehen Sie nicht nach München?

Nein, für so ein Landei wie mich ist das nichts. München geht gar nicht. Ich bin in einer Idylle aufgewachsen, wo dreimal am Tag ein Traktor vorbeifährt. Wenn ich einen Tag in München bin, bin ich total gestresst. Da bin ich froh, wenn ich wieder daheim bin.

Auch wenn es da dann inzwischen auch nicht mehr so ruhig ist.

Ja, manchmal nervt das. Wenn man schon zu Hause in den eigenen vier Wänden gestört wird, in seinem letzten Zufluchtspunkt: Wo soll man denn dann noch hin? Manchmal möcht ich einfach nur mei Ruah.

Interview: Florian Kinast

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