Neuner: „Das ist der Wahnsinn“

Magdalena Neuner holt ihr erstes Olympia-Gold– und das nach einem missratenen Saisonstart. „Sie war am Ende, psychologisch ganz unten“, sagt ihr Trainer. Jetzt ist sie so weit oben wie noch nie.
von  Abendzeitung
Das Siegerlächeln schon vor der Zieleinfahrt: Lena Neuner feierte am Dienstag ihremn ersten Olympiasieg. Es wird nach Meinung aller Experten nicht der letzte gewesen sein.
Das Siegerlächeln schon vor der Zieleinfahrt: Lena Neuner feierte am Dienstag ihremn ersten Olympiasieg. Es wird nach Meinung aller Experten nicht der letzte gewesen sein. © dpa

WHISTLER - Magdalena Neuner holt ihr erstes Olympia-Gold– und das nach einem missratenen Saisonstart. „Sie war am Ende, psychologisch ganz unten“, sagt ihr Trainer. Jetzt ist sie so weit oben wie noch nie.

Rund 300 Meter vor dem Ziel dachte Magdalena Neuner noch einmal nach. Ob sie sich nicht doch von einem Zuschauer eine schwarz-rot-goldene Fahne für den Zieleinlauf schnappen sollte. Gold war da schon längst sicher. Sie lächelte, was auch der Stadionsprecher erkannte, er sagte: „Neuner is smiling, she will be Olympic champion.“

Aber ließ sie das mit der Fahne dann doch. „Ich wollte nicht herumblödeln“, sagte Neuner eine Stunde nach dem Rennen ganz entspannt, „ich dachte mir, zum Feiern hast noch genug Zeit.“ Eine Aussage, die Sinnbild war für die erstaunliche Abgeklärtheit, für die gewaltige Coolness der 23-Jährigen, die nach Silber im Sprint nun Gold im Verfolgungsrennen gewann.

Der Höhepunkt in dieser Saison, der Höhepunkt ihrer ganzen Karriere. Ein Gold, das für sie wohl mehr glänzt als alle sechs WM-Titel zusammen. Die hatte sie als junges Talent gewonnen, die ersten drei noch als Teenager. Das Olympia-Gold von Whistler war nun nach vielen Rückschlägen das Reifezeugnis einer jungen gestandenen Frau.

Nur insgesamt zwei Fehler bei den beiden Stehendschießen – viele Jahre ihre Schwäche, wo sie auch schon einmal alle fünf Schuss daneben setzte. „Das ist der Wahnsinn“, jubelte Neuner.

Später sprach sie lange davon, wie sie es geschafft hatte, mit den ganzen Verletzungen und Rückschlägen umzugehen, dem Rummel, den Fans, die im Sommer ihre Wohnung in Wallgau belagern. „Ich denke, das hat nichts mit dem Alter zu tun“, sagte sie, „ich habe einfach im letzten Jahr begriffen, dass es nicht reicht, körperlich viel zu trainieren, sondern auch für den Kopf.“ Weshalb sie sich einen Mentaltrainer nahm und lernte, Störgeräusche auszublenden.

„Ich habe gelernt, an mich zu glauben“, sagte sie. „Ich habe einen ziemlich genauen Plan, von dem was ich mache." So wusste sie dann auch, wohin mit dem Blumenstrauß, den sie bei der Flower Ceremony nach dem Rennen bekam. Mama Margit bekam ihn zugeworfen, die mit Papa Paul auf der Tribüne in Block 203 mitgefiebert hatte.

Die Eltern, die für Neuner ganz wichtig waren zu Beginn der Saison. Da wurde sie von einem heftigen Virusinfekt niedergestreckt. Aber Neuner zerbrach daran nicht. „Ich hatte nie Zweifel daran, dass ich bis zu Olympia in Form komme“, sagte sie nach ihrem Triumph zur AZ, „ich dachte mir, ich muss das Beste aus so einer Situation machen.“ Was also tat sie da in der staaden Adventszeit? „Die anderen waren trainieren“, sagte sie, „ich hab daheim halt Platzerl gebacken. War auch schön.“

Ein gutes Erfolgsrezept.

„Lenas großes Plus ist ihre Bodenständigkeit“, sagte auch Trainer Uwe Müssiggang. „Sie war in einem dicken Tief, am Ende, psychologisch ganz unten. Aber sie hat daheim enorme Kraft geschöpft und regeneriert. Das Umfeld, das Elternhaus, haben ihr da sehr geholfen.“ Viel sagen muss er ihr da nicht mehr.

Sagen musste er ihr nach dem Sieg nur, dass sie endlich duschen und nicht so lange für Interviews in der Kälte herumstehen solle. „Ich habe das erreicht, was ich wollte“, sagte sie, als sie dann zur Umkleide ging, „alles, was jetzt kommt, ist nur noch Zugabe.“

Es gibt sicher noch viele Zugaben. Drei Chancen auf Gold hat sie noch, im Einzel, im Massenstart und in der Staffel. Da wird sie sicher auch antreten. Auch ein Unterschied zu früher. In den letzten Jahren sagte sie gern: „Ich hoffe, dass mich der Trainer aufstellt, aber die anderen sind ja auch stark.“ Nun erklärte sie: „Ich werde laufen.“ Weil sie weiß, dass an ihr kein Weg vorbeiführt. Vielleicht ist sie in der Staffel ja Schlussläuferin. Dann kann sie sich das mit der Fahne immer noch überlegen.

Florian Kinast

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.