Neuer Ski-Chef: „Neureuther soll’s machen”

München Wer Frank Wörndl, Silbermedaillengewinner bei Olympia 1988, nach der geplatzten Bewerbung für die Spiele 2022 fragt, bekommt eine Geschichte von Napoleons Niederlage in Waterloo zu hören. Der Pädagoge Pierre de Coubertin hatte recherchiert, dass Frankreich die Schlacht gegen England verloren hatte, weil die Briten ihre Soldaten schon in der Schule auf den Krieg vorbereitet hatten. Ende des 19.Jahrhunderts versuchte Coubertin, den Schulsport in seinem Land zu verbessern, wurde nicht gehört, ließ sich nicht beirren und dachte: „Dann zwinge ich euch über die Wiederbelebung Olympias zum Sport!”
Von Coubertins Idealen ist nicht viel übrig, doch es gibt noch Menschen, die mit ähnlicher Empathie für den Sport kämpfen. Und da ist Wörndl bei Christian Neureuther, der im AZ-Interview ein Umdenken in Sachen IOC und Olympia gefordert hatte: „Er ist ein Mensch, der seinen Enthusiamus für den Sport auch mit 64 Jahren noch beibehalten hat. Der Christian wäre mein Lieblingspräsident, mein Wunschkandidat als DSV-Chef”, sagt Wörndl.
Sollte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Skiverbands, am 7.Dezember an die DOSB-Spitze berufen werden, braucht er einen Nachfolger. Bis Jahresende soll dieser installiert werden. „Eine Doppelfunktion von mir wird es nur für wenige Tage geben”, stellte Hörmann klar. Wortmeldungen potentieller Nachfolger gab es bislang nur von DSV-Vize Peter Schlickenrieder, doch Hörmann beschied: „Er steht momentan nicht zur Verfügung, weil er als Fernsehexperte und Markenpartner in zahlreichen Engagements so gebunden ist, dass dies für ihn nicht passen würde.” Für Wörndl kein Argument: „Urs Lehmann ist Präsident des Schweizer Skiverbandes und arbeitet als Experte bei Eurosport.”
Sein Favorit ist aber Neureuther: „Er ist einer, der vom Leistungssport kommt. Der weiß, was technisch angesagt ist. Der weiß, wie Funktionäre funktionieren. Er hat sämtliche Erfahrungen, in allen Richtungen. Und er ist verhandlungstechnisch ein knallharter Hund. Wenn ich an Hörmanns TV-Deal vor ein paar Jahren denke, wo wir einen Haufen Geld verloren und worunter wir heute noch leiden! Wenn du ein bissl Rückgrat hast und so ein Geschäft in den Sand setzt, dann gehst du einfach. Aber um Funktionär oder Politiker zu sein, muss man sich einmal schütteln, um dann weiterzumachen. In vielen Dingen geht der Enthusiasmus verloren, und viele sind mehr mit der Selbstdarstellung beschäftigt, als im Sinne der Sache zu denken.”
Auch Marc Girardelli, der überragende Skiläufer der 80er Jahre, könnte sich Neureuther an der DSV-Spitze vorstellen: „Mit seinem Netzwerk wäre er der erste Anwärter für so einen Job. Es braucht da einen guten Organisator, Netzwerker, Kommunikator.” Girardell, der Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre einige Weltcup-Rennen gegen Neureuther bestritten hatte, sieht aber auch noch andere Kandadaten: „Miriam Vogt würde auch reinpassen. Die ist sehr aktiv, hat schon Erfahrung als Funktionärin im Bayerischen Skiverband. Und Markus Wasmeier ist sicher auch ein Name, den man mal in die Runde schmeißen sollte.” Der meinungsstarke Schlierseer ist derzeit nicht zu sprechen, befindet sich im Urlaub.
Und Neureuther? Frank Wörndl sagt: „Ich weiß nicht, ob er sich bereit erklärt. Er war vor ein paar Jahren schon mal im Gespräch, aber da hat man ihn nicht beachtet.” Dass sich bei IOC und DOSB mit den neuen Führungsfiguren Grundlegendes ändern wird, glaubt Wörndl nicht: „Das IOC ist der größte Komerzverein, den es im Sport gibt. Warum sollten die sich ändern? Die wollen verdienen! Olympischer Gedanke, Spiele der Jugend? Kannst du alles abhaken.”