Neuer Boss, neue Regeln: Haas will die Revolution

Der Routinier, bei den BMW Open am Start, hat große Ziele: Er will seinen Sport verändern, macht sich für Michael Stich als Verbandsboss stark – und will die Verschnaufpausen stoppen lassen.  
von  Julian Galinski

Der Routinier, bei den BMW Open am Start, hat große Ziele: Er will seinen Sport verändern, macht sich für Michael Stich als Verbandsboss stark – und will die Verschnaufpausen stoppen lassen.

MÜNCHEN Auf dem Platz nebenan pfefferten sich Albert Ramos und Norbert Gombos unter grauem Himmel und im Nieselregen die Bälle um die Ohren, ein paar dutzend Zuschauer, beschirmt und gut einpackt, schauten zu.

Im warmen VIP-Zelt der BMW Open hatte Tommy Haas, seit vielen Jahren Deutschlands einziger echter Weltklasse-Tennisspieler, unterdessen seinen ersten großen Auftritt in München – ohne überhaupt einen Schläger angefasst zu haben. Der 36-Jährige forderte nicht eine, sondern gleich zwei Revolutionen im Tennis, in Deutschland und auf der ATP-Tour: Wimbledon-Sieger Michael Stich als DTB-Präsidenten und die Einführung eines Zeitnahme-Systems.

Der jetzige Präsident des Deutschen Tennisverbandes heißt Karl Altenburg und von dessen Interpretation des Amtes hält Haas wenig bis gar nichts. „Ein bisschen DTB-Präsident nebenher ist Bullshit“, hatte er in der „Bild am Sonntag“ geschimpft – und bekräftigte am Montag nochmals: „Da muss einer sitzen, der Ahnung vom Tennis hat. In einem Vollzeitjob.“ Altenburgs Replik: Haas habe sich mit seiner Wortwahl „disqualifiziert“ und solle doch am besten erst einmal selbst was auf Funktionärsebene leisten.

In der Hinsicht hat Haas keinerlei Ambitionen. Aber er präsentierte dafür den, aus seiner Sicht, perfekten Mann für die Spitze des DTB: „Michael Stich ist mein Favorit“, sagte Haas. „Er ist ein Tennisfanatiker und ein guter Geschäftsmann“, offenbar beides Attribute, die er bei Altenburg vermisst. Abgeneigt soll Stich auch nicht sein, „er hatte soviel ich weiß auch schon Interesse an dem Posten“, sagte Haas weiter.

Der aber nicht nur das deutsche Tennis umkrempeln möchte – sondern gleich noch eine grundlegende Neuerung auf der ATP-Tour vortrug: „Ich wünsche mir die Einführung einer Shot-Clock wie beim Basketball“, sagte Haas. Dort hat eine Mannschaft 24 Sekunden Zeit, einen Angriff abzuschließen – sonst muss sie den Ball an den Gegner abgeben.

Im Tennis soll das so aussehen: Nach jedem Ballwechsel tickt die Uhr für alle auf dem Platz gut sichtbar, die Spieler haben nur eine gewisse Zeit, zum Beispiel 24 Sekunden, bis zum nächsten Aufschlag. Eine Maßnahme, um zum einen Trödler und Taktiker einzuschränken, zum anderen, um nach harten Ballwechseln wieder zur Besinnung zu kommen. „Wenn du mit einem Rafael Nadal den Ball 30 dreißig Mal hin und her haust, dann kann dir schon mal schwindlig werden“, sagte Haas.

Sollte diese Art „Shot-Clock“ tatsächlich einmal den Einzug ins Tennis finden – er würde es wohl nicht mehr miterleben. „Ich plane nicht mehr langfristig“, sagt Haas. Jahrzehntelanger Leistungssport hat seinem Körper zugesetzt, vor allem die Schulter ist kaputt. „Eine Operation ist ausgeschlossen“, sagte Haas, „sonst kann ich den Schläger gleich an den Nagel hängen.“

Genießen möchte er nur noch, seiner Vita ein paar Highlights hinzufügen, „sehen, was ich noch rausholen kann“. Auf handverlesenen Turnieren wie den BMW Open, wenngleich noch nicht zu hundert Prozent geklärt ist, ob die Schulter eine Teilnahme zulässt. „Ich hoffe, mein Einsatz ist nicht gefährdet“, sagte Haas.

Und betonte noch einmal, wie wohl er sich in München fühlt, wie er hier als kleiner Junge einmal ein Fan-Foto mit Michael Stich ergatterte. Auf seine Antrittsgage des Jahres 2013 vom ehemaligen TurnierVeranstalter Carl-Uwe Steeb wartet er allerdings heute noch. „Das ist sehr traurig und schade“, sagte Haas. „Und ich frage mich, wie Steeb mit seiner neuen Agentur schon wieder Spieler wie Carlos Moya und Pete Sampras verpflichten kann.

 

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