Interview

Natalie Geisenberger: "Ich war immer stolz, sagen zu können, dass der Schorsch mein Trainer ist"

Deutschlands Rodel-Queen Natalie Geisenberger spricht in der AZ über den überraschenden Wechsel von Georg Hackl zum österreichischen Verband und die Folgen: "Das ist für uns schon traurig."
von  Krischan Kaufmann
Natalie Geisenberger und Georg Hackl.
Natalie Geisenberger und Georg Hackl. © IMAGO / Sammy Minkoff

AZ-Interview mit Natalie Geisenberger: Die deutsche Rodel-Queen hat über 14 Jahre lang mit Eiskanal-Legende Georg Hackl in der Trainingsgruppe "Sonnenschein" zusammengearbeitet. Bei den Spielen in Peking dieses Jahr holte die 34-jährige Miesbacherin ihre sechste Goldmedaille und ist damit die deutsche Rekord-Winterolympionikin.

AZ: Frau Geisenberger, Georg Hackl wird nun Trainer beim österreichischen Rodel-Verband. Hat er Sie, die ja seit etlichen Jahren in der berühmten Trainingsgruppe "Sonnenschein" ganz eng mit ihm zusammengearbeitet hat, mit diesem Schritt genauso überrascht wie den Rest der Rodel-Welt?
NATALIE GEISENBERGER: Ja extrem. Natürlich finde ich es traurig, dass er geht. Aber andererseits habe ich ja 14 Jahre mit ihm zusammenarbeiten dürfen und das waren letztendlich sehr, sehr erfolgreiche Jahre für mich. In erster Linie bin ich also dankbar, dass ich den Schorsch so lange an meiner Seite hatte.

Abschied von Georg Hackl trifft Natalie Geisenberger hart

Da schwingt bei Ihnen aber schon deutlich hörbar eine ordentliche Portion Wehmut mit.
Klar, der Schorsch ist ja das Gesicht des deutschen Rodelns - und ich habe mir eigentlich nicht vorstellen können, dass er mal zu einer anderen Nation wechselt. Aber er hat eben, wie er sagt, ein sehr gutes Angebot bekommen und dann muss man das auch akzeptieren. Wobei uns in der jetzigen Situation sein Abschied schon besonders hart trifft.

Natalie Geisenberger über Georg Hackl: "Wir verlieren einen coolen Typen"

Wieso?
Na ja, erst die Rodelbahn am Königssee, die ja kaputt ist. Und dann verlässt uns auch noch der Schorsch und wechselt zum größten Konkurrenten. Das ist für uns schon traurig...

"Begeisterter Tüftler, der superschnelle Schlitten bauen kann" und "ein cooler Typ": Natalie Geisenberger über den Hackl Schorsch.
"Begeisterter Tüftler, der superschnelle Schlitten bauen kann" und "ein cooler Typ": Natalie Geisenberger über den Hackl Schorsch. © imago sportfotodienst

Mit dem Wechsel nach Österreich verliert der deutsche Rodelsport einen absoluten Technik-Experten - und Sie persönlich auch eine Art Mentor, oder?
Natürlich, der Schorsch war schon für mich als Kind mein Vorbild, dann später mein Mechaniker und Trainer - und ist für mich auch zu einem Freund geworden. Ich hoffe, dass sich unser Verhältnis dadurch nicht großartig ändert, er wird halt jetzt an anderen Schlitten rumschrauben und nicht mehr an meinem. (lacht) Wir verlieren nicht nur einen begeisterten Tüftler, der superschnelle Schlitten bauen kann, sondern einfach auch einen coolen Typen.

Felix Loch tritt in die Fußstapfen von Georg Hackl

Wie wird der deutsche Rodel-Sport den Abschied seines Schlitten-Spezialisten verkraften?
Das wird man sehen. Wir haben mit Christian Thurner einen jungen Mechaniker, der schon recht lange dabei ist und einen sehr, sehr guten Job macht. Ich denke daher nicht, dass es für uns jetzt sportlich bergab geht. Denn der Schorsch nimmt zwar sein Wissen mit und stärkt dadurch eine andere Nation, aber er nimmt uns das Wissen damit ja nicht weg. Das, was wir von ihm lernen durften und wir zusammen entwickelt haben über die letzten Jahre, haben wir ja weiterhin. Außerdem ist der Felix (Loch, Anm. d. Red.) ja schon ein bisschen in Schorschs Fußstapfen getreten. Er verfügt jetzt schon über ein gewaltiges Know-how und hat mir immer sehr viel geholfen. Seine Meinung war mir immer extrem wichtig und ich konnte mich immer zu 100 Prozent auf ihn verlassen. Und daran wird sich ja nichts ändern, Felix bleibt zum Glück. (lacht)

Auf jeden Fall erwächst aber nun in der direkten Nachbarschaft eine neue Rodel-Macht, die den deutschen Abo-Siegern das Leben schwermachen könnte.
Wenn man ehrlich ist, waren die Österreicher schon immer recht gut. Bei den Olympischen Spielen dieses Jahr ist vielleicht nicht alles 100 Prozent so aufgegangen, wie sie sich das gewünscht haben. Aber grundsätzlich waren sie vor allem in den letzten beiden Jahren in allen Disziplinen in der Lage, um den Sieg zu kämpfen. Da wir komplett andere Schlitten-Systeme fahren, wird der Schorsch nicht alles eins zu eins so umsetzen können, wie er es bei uns gemacht hat. Aber dass er das trotzdem irgendwie hinbekommt, die Schlitten vielleicht etwas schneller zu machen, kann ich mir bei ihm natürlich sehr, sehr gut vorstellen. Es wird auf jeden Fall für alle Beteiligten recht spannend.

Zum Glück kam das Angebot aus Österreich erst jetzt, so dass er dieses Jahr in Peking noch mithelfen konnte, dass Sie sich mit nun sechs Goldmedaillen zur deutschen Rekord-Olympiasiegerin küren konnten.
Ja, das stimmt. Da ich noch gar nicht entschieden habe, ob und wie es bei mir weitergeht, kann es auch sein, dass Schorschs Abschied mich sportlich gar nicht mehr betrifft. Egal wie - ich bin wirklich dankbar für die Zeit, die wir sportlich miteinander verbringen durften und ich war auch immer stolz, sagen zu können, dass der Schorsch mein Trainer ist. Aber er ist ja auch gar nicht weg, sondern ab sofort nur in einer roten Jacke statt in einer gelben unterwegs. (lacht)

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