Nadals Debakel: Die Schmach von New York

Die Halbfinalniederlage gegen Juan Martin del Potro schlug Rafael Nadal gewaltig auf den Magen. Zudem plagt den Spanier auch noch eine Bauchmuskelzerrung. Das Grand-Slam-Jahr endet für den ehemaligen Weltranglistenersten mit einem Fiasko.
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Wurde in New York bitter gedemütigt: Rafael Nadal
AP Wurde in New York bitter gedemütigt: Rafael Nadal

NEW YORK - Die Halbfinalniederlage gegen Juan Martin del Potro schlug Rafael Nadal gewaltig auf den Magen. Zudem plagt den Spanier auch noch eine Bauchmuskelzerrung. Das Grand-Slam-Jahr endet für den ehemaligen Weltranglistenersten mit einem Fiasko.

Manchmal stand er nur noch einen Meter von der Werbebande weg, in der völlig verkehrten Tiefe des Raums, in der totalen Defensive. Er wirkte wie ein Boxer, der in einem Kampf zweier ungleicher Gewichtsklassen in den Seilen hing und einem vernichtenden Schlaghagel ausgesetzt war. Und am Ende des frustrierenden Halbfinals bekam der Mann, der sich anderswo schwer den Neid erkämpft hat, noch reichlich unerwünschtes Mitleid von den 20.000 Zuschauern im Ashe-Stadion geschenkt. "Sie feuern ihn an, als wäre er der arme Underdog", befand TV-Mann John McEnroe, als die 2:6, 2:6, 2:6-Abfuhr von Rafael Nadal im Vorschlußrundenkampf gegen den argentinischen Riesen Juan Martin del Potro auf der Zielgeraden war.

Noch einmal war der Sommer zurückgekehrt an diesem Sonntag nach Flushing Meadow, nach tagelangem Regenchaos, doch für Nadal, den Gladiator aus Mallorca, war der Himmel verdunkelt. "Es war ein gutes Comeback. Aber ein richtig schönes Turnier war es wirklich nicht für mich", sagt der schwer verprügelte Weltranglisten-Zweite, der nicht mehr zuzusetzen hatte, als dieser von Organisationspannen geplagte Major-Wettbewerb in seine entscheidende Phase kam. Sechs gewonne Spiele nur in drei kurzen, schmerzhaften Sätzen bedeuteten die klarste Grand Slam-Niederlage in Nadals Laufbahn.

Gut 15 Stunden nach dem peinlichen Black Out der amerikanischen Starspielerin Serena Williams, die vorerst mit einer lächerlichen 10.500 Dollar-Geldstrafe belegt wurde, erlebten die Tennisfreaks im Big Apple nun einen sportlichen Schocker auf dem größten Centre Court der Welt - ein Abfuhr, wie sie Nadal wohl selbst kaum erwartet hatte. Zwar litt Nadal noch immer unter der mangelnden Spielpraxis in diesem Sommer und unter den Auswirkungen einer Bauchmuskelzerrung, aber er traf auch auf einen machtvollen Spieler aus der bereits nächsten Tennis-Generation, der ihm demnächst wichtige Titel und Ranglistenpositionen streitig machen könnte. "Er spielt im Moment einfach unglaublich. Ich hatte keine Chance", sagte der Spanier über del Potro, den Hünen mit den kräftigen Schwingern. Der traf nun in der Nacht zum Dienstag im Finale auf Supermann Roger Federer, der Novak Djokovic in drei Sätzen 7:6 (7:3), 7:5, 7:5 besiegt hatte. Beim vorletzten Ballwechsel gelang Federer, wie er später sagte, "der Schlag meines Lebens": Mit dem Rücken zum Netz schlug der Schweizer durch die Beine einen Crossball an Djokovic vorbei - und hob vor Freude in die Luft ab. Federer könnte nach Paris und Wimbledon das dritte Major-Turnier in dieser Saison gewinnen.

Welch ein Kontrast zu Nadal. Beim einzigen Spitzenturnier, das er noch nicht gewonnen hat und das ihm zum "Karriere Slam" fehlt (mindestens ein Sieg in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York), kam der sonst so furchtlose, unbeirrbare und zielstrebige Spanier auch dieses Mal nicht zum Zuge. In den vergangenen Spielserien war Nadal meist viel zu erschöpft in den "Big Apple" gereist, hatte nach den auszehrenden Strapazen in der Sandplatzsaison und viel verbrauchter Energie in Wimbledon nichts mehr in seinem Tank. Nun pausierte er zwar wegen seiner Knieverletzung für sechs Wochen nach den French Open, wirkte ausgeruhter, aber seinen Spielrhythmus auf höchstem Niveau fand er nicht in New York - zumal, da ihn dann auch noch der Bauchmuskel zwickte und zwackte, eine Blessur, die besonders beim Aufschlag höllisch wehtut. Auch wenn Nadal die Probleme öffentlich nicht recht zugeben wollte: Diesen Schmerz kennt selbst der widerstandsfähigste Tennisindianer. Er werde sich jetzt daheim in Spanien "erst einmal richtig untersuchen lassen", sagte Nadal: "Aber viel erwarte ich nicht mehr von dieser Saison."

Sein Traum vom New Yorker Coup starb auch, und dies schon zum zweiten Mal in Serie, im höchst eigenwilligen Termindiktat der US Open-Bosse. Seit Donnerstagabend vergangener Woche musste Nadal pausenlos auf der Turnieranlage hocken, im nervtötenden Wartestand, ob seine Matches nun endlich angesetzt werden konnten. Allein für die Abwicklung des Viertelfinales gegen den Chilenen Fernando Gonzalez brauchte es drei Tage, kein Wunder, dass sich Nadal hinter den Kulissen wütend über einen Spielplan äusserte, "der dauernd gegen mich ist." Die störenden Nebengeräusche konnte der gewöhnlich eisern auf seine Aufgaben fixierte Champion nicht ausblenden, schon vor dem Aus gegen del Potro fehlte ihm die alte Durchschlagskraft, die Power, Zuversicht und Konstanz in seinem Auftritt. "Ans Limit ist er nicht gelangt. Das war auch schwer mit dieser Verletzung", sagte Nadals Onkel und Trainer Toni. Wie schlecht es um ihn stand, konnte der Weltranglisten-Zweite am Sonntag schon daran sehen, dass Übungsleiter Toni auf der Tribüne ganz und gar nicht die übliche Nervosität verbreitete - der langjährige Förderer und Begleiter saß eher gelassen in der Ehrenloge, wohl wissend, dass für den nur nominellen Favoriten nicht viel zu holen war.

Die Niederlage und all die Verletzungsprobleme werfen die Frage auf, ob die Tenniswelt in Zukunft weiter von einem Zweikampf zwischen Federer und Nadal bestimmt wird - oder ob nun doch die hoffnungsvollsten Gesichter der Generation Next ihre Mitbestimmung tatkräftig einfordern. Spieler wie del Potro, wie der Kroate Marin Cilic, wie der Franzose Jo-Wilfried-Tsonga oder dessen Landsmann Gael Monfils. Nur noch einen Grand Slam-Titel hat Nadal in seinem Besitz, den von Melbourne, in Paris und Wimbledon stieß ihn Federer wieder vom Thron. "Dieses Jahr 2009 ist schon hart für mich", sagte Nadal. Ob 2010 besser wird, muss sich dann schon bei der Titelverteidigung "down under" weisen.

Jörg Allmeroth

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