Nadal: Ein Denkmal auf Sand
Rafael Nadal gewinnt zum achten Mal die French Open in Paris – ein Rekord für die Ewigkeit. Nicht mal Protestler stoppten ihn.
Paris - Rückwärts zog es ihn hinab in die rote Erde, sein ureigenstes Tennis-Element. Die Erde, in der er 2005 seinen ersten großen Triumph feierte, als Newcomer und Himmelsstürmer. Und die Erde, in der er nun glückselig seinen emotionalsten Grand-Slam-Sieg errang, der unwiderstehliche Comebacker Rafael Nadal.
Schlag 17.30 Uhr war es im Regen von Paris, als der mallorquinische Sand-Mann seine Rückkehr aus Verletzungsqualen und Karrieresorgen fast magisch veredelte - mit einem souveränen 6:3, 6:2, 6:3-French Open-Finalerfolg über seinen Landsmann David Ferrer und mit dem großartigen achten Titel im Centre Court-Sandkasten hat er sich ebendort ein Denkmal gebaut. „Das ist ein ganz spezieller Moment, einer der größten Siege meines Lebens“, sagte Nadal mit Tränen in den Augen, „es ist ein Tag, auf den ich nicht einmal hoffte vor ein paar Monaten."
Es war auch ein Tag, der die Rekordbücher dieses Sports veränderte – niemals zuvor hat ein Profi acht Mal bei einem der vier Majorwettbewerbe gewonnen, auch nicht in Melbourne, Wimbledon oder New York. Da geriet selbst die stolze Preisgeldsumme von 1,5 Millionen Euro in den Hintergrund, was zählte, war die Einmaligkeit des Triumphs. „Mit diesem Sieg hat sich Rafael selbst übertroffen“, sagte sein Onkel und Trainer Toni Nadal.
Stoppen konnte Nadals souveränes Rendezvous mit der Geschichte nichts an diesem verregneten Sonntag, nicht der brave Knappe Ferrer, nicht die widrigen Umstände und auch nicht diverse Protestaktionen von Zuschauern, die das Tennis-Spektakel für politische Zwecke zu instrumentalisieren versuchten. Zwölf Personen wurden wegen Protesten gegen die Legalisierung der Homo-Ehe in Frankreich in Gewahrsam genommen.
Ein Mann mit freiem Oberkörper, Maske und einer bengalischen Fackel, schaffte es sogar auf den Platz in die Nähe von Nadal, ehe er abgeführt wurde. „Ich hatte im ersten Moment ein bisschen Angst. Das sind Momente, die man nicht verhindern kann. Die Sicherheitskräfte waren sehr mutig“, sagte Nadal. Zu den Ehrengästen gehörte direkt am Court auch der spanische Kronprinz Felipe.
Der Prinz aber Freude sich dann doch mit seinem Landsmann. Nadals letzter Triumphzug in der roten Ziegelmehlasche wird ein Ausnahmeprodukt in der Siegesserie des bulligen Fighters bleiben – ein emotionaler Höhepunkt, vergleichbar nur mit dem ersten Erfolgserlebnis im Stade Roland Garros vor nunmehr neun Jahren, damals noch als 18-jähriger Teenager. Denn Nadals Zukunft als herausragender Spieler dieses Sports stand im Herbst auf unsicheren Füßen. „Es gab Momente der Verzweiflung. Momente, in denen ich nicht wußte, wie es weitergeht. Und es gab viele Tränen, weil es keine Fortschritte gab, keine Besserung, kein vernünftiges Training“, sagte Nadal, der sich nach Wimbledon sieben Monate wegen einer Sehnenverletzung im Knie in den Zwangs-Ruhestand versetzt sah. Eher ein Un-Ruhezustand für den hyperaktiven Athleten, der kaum mitansehen konnte, wie seine Kollegen bei den Olympischen Spielen, bei den US Open in New York, bei der WM in London oder noch einmal bei den Australian Open aufspielten.
Nadal ist ein Meister der Bescheidenheit und ein Weltmeister der Untertreibung. Doch man kann ihm getrost abnehmen, dass auch er, der zurückhaltendste aller Granden im Tennis, nicht mit einer Rückkehr in dieser Prachtentfaltung gerechnet hatte – damals, im Februar, als er im chilenischen Vina del Mar erstmals nach seiner Leidenszeit wieder auf einem Court stand, in einem der geliebten Sand-Kästen. „Mein Ziel war nur, fit und gesund zu bleiben. Ich habe gar nicht an Titel gedacht“, sagte der 27-jährige.
Doch sehr bald war er im Sandterrain wieder Maß aller Dinge, das Zentralgestirn, um den der Rest des Tennis-Systems kreiste – der Mann, den es zu schlagen galt. Theoretisch jedenfalls, denn nur zwei Niederlagen überhaupt kassierte Nadal seit dem Neuanfang, einmal gleich zu Beginn in Chile. Später noch in Monte Carlo, dort, wo er acht Mal hintereinander gewonnen hatte, aber dann gegen Djokovic verlor. Der Rest aber war: Nadal, der Dominator. Der unersättliche Titeljäger. Nadal, eben ganz der Alte, der nach seinem Triumph für das Rasenturnier in Halle absagte.
Eine noch größere Schreckensherrschaft für die Mitbewerber hat Nadal in Paris entfaltet. Alle, die einmal im Stadion Roland Garros an der Spitze der Rekordlisten standen und zeitweise das Sandplatztennis prägten, sind von ihm in den Hintergrund gedrängt worden. Keiner hat einem Turnier seine eigene Kraft und seinen Charakter so aufgedrückt wie Nadal, keiner ist so hartnäckig in seiner Ambition, jedes Jahr sein Tennisparadies am Bois de Bologne wieder als Titel-Held verlassen zu wollen. Terrien nennen die Franzosen einen wie ihn, einen Mann, der so auch namentlich mit der Erde verschmilzt. Der Erde, die sein Element ist. Das Element von Rafael Nadal.