Nadal: Der Matador kämpft sich zurück
NEW YORK - Rafael Nadal hat bei den US Open das Viertelfinale erreicht - und ist wieder die Nummer zwei der Tennis-Szene.
Über die ständigen Spätschichten im Arthur Ashe-Stadion war der Matador so erbost, dass sein Management am vergangenen Wochenende sogar eine halboffizielle Beschwerde beim US Open-Oberschiedsrichter einreichte. Doch als Rafael Nadal am Mittwoch knapp vor der Geisterstunde die riesige Betonschüssel von Flushing Meadow verließ, da hatte er im größten Tennisstadion der Welt nicht nur sein schweres Achtelfinale gegen den französischen Tennis-Schelm Gael Monfils mit 6:7 (3:7), 6:3, 6:1 und 6:3 gewonnen, sondern in der prickelnden Nachtshow auch die alte Selbstsicherheit und Kampfintensität zurückgefunden.
Acht Stunden nach der peinlichen 5:7, 2:6, 2:6-Pleite des an Nummer 2 gesetzten Schotten Andy Murray gegen Marin Cilic (Kroatien) – bisher die größte Turnierüberraschung - schwang sich der wiedererstarkte Nadal mit wilder Entschlossenheit und höchster Konzentration zum echten Titelkandidaten auf. „Mein bestes Spiel in New York kam genau im richtigen Moment“, sagte der Mallorquiner, der nach den US Open Murray nun wieder von Platz 2 ablöst und damit auch schwarz auf weiß der ernsthafteste Herausforderer von Federer wird.
Als Nadal am Montag seine liebe Müh´ und Not im Spiel gegen Landsmann Nicolas Almagro hatte und auch noch auf dem Centre Court wegen einer leichten Bauchmuskelzerrung behandelt wurde, da schien seine Comeback-Mission hier in New York nur von begrenzter Dauer zu sein. Doch der klammheimlich Abgeschriebene zeigte in der anfangs elektrisierenden, später einseitigen Nachtvorstellung gegen Monfils, welche Power und Durchschlagskraft wirklich in ihm steckt – die etwas fahrigen, hektischen Auftritte der ersten Woche waren weniger ein Qualitäts- als eine Kopfproblem: „Jetzt bin ich endlich voll im Turnier drin. Die Unsicherheit ist weg“, sagte Nadal dem TV-Sender „ESPN 2“. Zum „ersten massiven Härtetest für Nadal“ hatte Amerikas Tennislegende John McEnroe das Late Night-Duell gegen den quirligen Franzosen erhoben und urteilte später eindeutig: „Das war ein Ausrufezeichen. Eine Warnung an die Konkurrenz.“ Und somit auch schon an den nächsten Gegner im Viertelfinale, den Chilenen Fernando Gonzalez.
Nadals Schläge haben zwar noch nicht immer die gewohnte Präzision und Dynamik. Aber an seiner Kampfkraft, an seiner Leidenschaft und an seinem langen Atem für die Grand Slam-Ringschlachten im „Big Apple“ sollten die lieben Kollegen besser nicht zweifeln. „Spielt Nadal wieder mit Zuversicht, mit leichtem Herzen, dann wird er auch von der körperlichen Frische nach sechs Wochen Pause profitieren“, sagte Altmeister Jimmy Connors. Gerade auf der Zielgeraden des 2009er Turniers könnte Nadal jetzt noch einmal schwungvoll zulegen, ganz anders als letztes Jahr, als er bei den US Open nach der erfolgreichen Hetzjagd von Paris über Wimbledon und Peking wie ein ausgepumpter Marathonläufer auf dem letzten Kilometer wirkte. Er hatte alles gewonnen, zwei Grand Slams und olympisches Gold, aber in New York war „der Tank eben total leer“. Gegen Murray schied er im Halbfinale sang- und klanglos aus, schlich wie Superman ohne Kryptonit übers Feld.
Die eiserne Hackordnung, die das Tennis zwischen 2005 und 2008 kannte, ist nach dem spektakulären New Yorker Achtelfinaltag schon wiederhergestellt: Federer ist die Nummer 1, Nadal die Nummer 2. Und mag es in der Weltrangliste auch knapp zugehen um die Spitzenpositionen, folgt doch der Rest des Wanderzirkus im Grunde mit beträchtlichem Abstand hinter den beiden Alphatieren. „Gerade bei den Grand Slams zeigt sich der Unterschied zwischen guten und herausragenden Spielern. Bei Nadal sieht man in New York jetzt, wo es drauf ankommt, wieder die Instinkte eines großen Champions“, sagte Trainerguru Nick Bollettieri. Tatsächlich beschleunigte Nadal das Tempo und den Einsatz gegen Monfils, ließ sich auch nicht vom 0:1-Satzrückstand irritieren. Er wirkte nie wie jemand, der den Glauben an sich verlor – und zermürbte so in klassischer Fighterpose den starken Franzosen.
Das Kontrastprogramm hatte Stunden zuvor der Schotte Murray geliefert, der mit hängenden Schultern und grimmigem Gesichtsausdruck über den Platz schlich – nur noch eine Karikatur des Mannes, der von Britanniens Blättern den ganzen Sommer über zum großen Gegenspieler von Federer hochgeschrieben worden war. „Das war der schwärzeste Tag meiner Karriere“, sagte Murray nach dem Desaster, bei dem er mit seinem gewohnten Phlegma wirkte, als würde er glatt die Arbeit verweigern. Dass er als erfolgreichster Hartplatzspieler der Saison zu den US Open gekommen war, noch dazu als Masters-Sieger von Montreal, war im Grand Slam-Revier von New York nicht mehr viel wert. „Dieser Auftritt war ein Trauerspiel“, wetterte das Boulevardblatt „The Sun“.
Jörg Allmeroth
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