Nach Sieg im Zeitfahren: Froome raubt der Tour die Spannung
Megéve - Dominator Chris Froome streckte den Arm triumphierend in die Höhe, dann erhielt er vom großen Eddy Merckx den Ritterschlag. "Er kann die Tour de France fünf, sechs Mal gewinnen. Ich weiß nicht, wer ihn in den nächsten Jahren schlagen soll", sagte der "Kannibale", der selbst fünfmal die Frankreich-Rundfahrt gewann: "Er ist ein kompletter Fahrer und momentan einfach der Beste."
Auch die Gegner fielen nach der neuerlichen Machtdemonstration im Bergzeitfahren nach Megève schon ehrfürchtig auf die Knie. "Chris ist einfach superstark, er ist ein großer Champion", sagte etwa der Australier Richie Porte und sendete damit im Grunde vorzeitige Glückwünsche an den britischen Dominator.
Froome, der sich vor allem von Merckx' Kompliment geschmeichelt fühlte, raubt der Großen Schleife in seinem einsamen Kampf im Gelben Trikot schon vor dem letzten Tour-Wochenende jegliche Spannung. Der 31-Jährige beherrscht das Rennen, wie es seit der unsäglichen Ära Lance Armstrong kein Fahrer mehr getan hat. Mit seinem zweiten Tageserfolg baute Froome seine ohnehin schon komfortable Führung noch weiter aus, der dritte Gesamtsieg beim wichtigsten Radrennen der Welt ist Froome kaum noch zu nehmen.
Fast vier Minuten Vorsprung für Froome
Im Klassement führt Froome nach der 18. Etappe nun mit beinahe vier Minuten Vorsprung auf den Niederländer Bauke Mollema, der seine Verfolger aber dicht im Nacken spürt und zahlreiche Attacken auf seinen zweiten Gesamtrang zu erwarten hat. "Ich habe einen fantastischen Vorsprung, das ist ein tolles Gefühl", sagte Froome.
Vor den beiden noch folgenden Alpen-Etappen bezieht die Frankreich-Rundfahrt ihren Reiz nur noch aus dem Kampf um die Podestplätze neben Froome. Zu übermächtig ist der gebürtige Kenianer, dessen dritten Tour-Triumph in den letzten vier Jahren wohl nur ein Sturz noch verhindern kann. "Ich muss vorsichtig sein, ich will das Trikot bis Paris tragen. Das Wichtigste ist jetzt, gesund zu bleiben", sagte Froome.
Das Peloton hat sich mit Froome als Gesamtsieger bereits abgefunden. "Es ist schwer vorstellbar, dass er noch einbricht", meinte Simon Geschke in der ARD. Geschke plant wie Emanuel Buchmann, der auf Rang 42 mit 2:43 Minuten Rückstand bester Deutscher war, noch einen Ausreißversuch in den Alpen.
Nur Dumoulin kann mithalten
Einzig der Niederländer Tom Dumoulin fuhr beim 17 km langen Kampf gegen die Uhr von Sallanches nach Megève zeitweise auf Augenhöhe und lag am ersten Zwischenmesspunkt deutlich vorn. Froome arbeitete sich im Anstieg zur Côte des Chozeaux (1219 m) aber immer näher an den Fahrer aus dem deutschen Team Giant-Alpecin heran und distanzierte ihn in 30:43 Minuten noch um 21 Sekunden.
Bei Zeitfahr-Spezialist Tony Martin kam es wie erwartet, der Wahl-Schweizer hatte auf diesem Terrain keine Chance auf eine vordere Platzierung. "Vielleicht hätte ich um die Top 20 fahren können, für einen Spitzenplatz hätte es aber mit Sicherheit nicht gereicht", sagte er und fuhr deshalb mit Augenmaß: "Das war ein halber Ruhetag für mich."
Die Sprinter um Marcel Kittel haben nun Bammel vor den letzten Alpen-Etappen, auch wenn das Tour-Ziel in Paris am Sonntag und der Prestige-Sprint auf den Champs Élysées schon zu erahnen sind: "Wenn ich mich hier umgucke, da ist irgendwo der Mont Blanc, ich sehe nur Berge und Wald. Es wird auf jeden Fall richtig schwer", sagte der Thüringer.
Sprinter fürchten hohes Tempo
Für die Leiden der Sprinter dürfte nicht unbedingt Froome verantwortlich sein, sondern der vermutlich heiße Kampf um die Podiumsplätze in Paris. Das 19. Teilstück von der Olympiastadt Albertville in das Mont-Blanc-Massiv nach Saint-Gervais bietet am Freitag das ideale Terrain, um wirkungsvolle Angriffe zu setzen.
Es ist mit einem Berg der zweiten Kategorie, zwei Bergen der ersten und einem Berg der Sonderkategorie wohl der schwierigste Teil der Alpen-Festspiele. "Das sind meistens die Etappen, die am schwersten werden, da gibt es keine ruhigen Momente", sagte Geschke.