Nach Rosberg-Rücktritt: Der Sternen-Friede
Melbourne - Sehnsucht nach dem zurückgetretenen Champion? Nein, 54 Prozent der Deutschen sagten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, sie würden Nico Rosberg nicht vermissen.
Sehnsucht nach dem zurückgetretenen Rivalen? Nein, sagt auch sein ehemaliger Teamkollege Lewis Hamilton, es sei ihm egal, ob der amtierende Weltmeister nun am Start sei oder nicht, die Konkurrenz sei auch so stark genug.
Ob es etwas gebe, was er an seinem Top-Mann nicht vermissen werde, wurde Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gefragt. "Was ich nicht vermissen werde, ist diese an der Grenze zur Animosität zwischen beiden Fahrern herrschende Kontroverse. Das war zeitweise viel zu managen für uns. Wir haben dafür mehr Zeit aufwenden müssen, als uns lieb gewesen wäre."
114 Tage nach dem überraschenden Rücktritt Rosbergs und kurz vor der neuen Saison, die am Sonntag mit dem Grand Prix von Australien in Melbourne (7 Uhr MESZ/RTL und Sky live) beginnt, hat sich Mercedes offenbar prächtig mit dem unerwarteten Neuanfang arrangiert. "Einen Fahrer wie Nico zu verlieren, ist ein großer Einschnitt, aber zugleich die Chance, mit einem Fahrer wie Valtteri Bottas wieder an diese Erfolge anzuschließen", sagte Wolff. "Bottas und Hamilton werden sich weniger aufreiben, als das zwischen Nico und Lewis der Fall war." Nach dem Krieg der Sterne zwischen Rosberg und Hamilton nun also der neue Sternen-Friede.
An Bottas scheiden sich die Geister
Der Finne, der von 2013 bis 2016 für Williams neun Podestplätze eingefahren hat, soll den Weltmeister möglichst reibungslos, im doppelten Sinne, ersetzen. Ein Sieg freilich steht für ihn noch nicht zu Buche, und so scheiden sich an Bottas die Geister. "Er muss sich noch entwickeln", forderte etwa Silberpfeil-Aufsichtsratsboss Niki Lauda, "der zweite Fahrer muss Lewis einheizen, damit der weiter auf Top-Level fährt."
Aber kann Bottas das? Ja, beteuerte er in der Sport Bild, "ich kann liefern. Ab dem ersten Rennen muss ich voll da sein. Ich gehe davon aus, dass meine Lernkurve steil verläuft." Muss sie auch, im ersten Training war er um 0,556 Sekunden langsamer als Hamilton. "Er ist ein guter Fahrer, keine Frage", sagte Ex-Formel-1-Pilot Jochen Mass der AZ, "aber bei Williams war er zuletzt nicht wesentlich schneller als Felipe Massa, obwohl der deutlich älter ist."
Womit wir bei der nächsten Frage wären. Wie stark sind die Silberpfeile im kommenden Jahr? Hat die Mercedes-Dominanz die radikalen Regelreformen überlebt? Nach den Testfahrten versuchte Hamilton Ferrari mit Sebastian Vettel die Favoritenrolle aufzuwängen. Die ersten Trainingsfahrten in Melbourne sagten etwas anderes. Hamilton dominierte die Einheiten nach Belieben, markierte die souveräne Tagesbestzeit (siehe Artikel rechts). "Es war zu 99 Prozent perfekt heute", sagte Hamilton: "Nach den schwierigen Testfahrten ist das Auto jetzt da, wo es sein sollte."
Hamilton von Barcelona inspiriert
Von Hamilton wird erwartet, dass er nach der bitteren Niederlage gegen Rosberg an die WM-Titel-Jahre 2014 und 2015 anknüpft. "Es war definitiv hart", sagte er, angesprochen auf die Niederlage gegen Rosberg, aus der er aber auch Ansporn schöpft: "Ich bin fitter, ich arbeite härter als jemals zuvor, ich bin super konzentriert und getrieben nach dem letzten Jahr."
Inspiration, wie man mit Rückschlägen umgeht, holte er sich bei seinem Kumpel Neymar und dem FC Barcelona: "Es war inspirierend, diese Jungs zu sehen. Sie haben nicht aufgehört, sie haben nicht aufgegeben, haben weiter gepusht", sagte Hamilton nach deren 6:1 im Rückspiel gegen Paris St. Germain. "Ich glaube, ich muss diese Mentalität in meine Saison bringen."