Nach dem Schock: Bayern klammern sich ans «Double»

St. Petersburg (dpa) - Als der erste Schock nach der Demütigung im UEFA-Pokal-Halbfinale überwunden war, versuchten sich die Bayern am nationalen Titel-Glück aufzurichten.
von  Abendzeitung
Der Ball liegt nach dem 2:0 neben Torwart Oliver Kahn im Bayern-Tor.
Der Ball liegt nach dem 2:0 neben Torwart Oliver Kahn im Bayern-Tor. © dpa

St. Petersburg (dpa) - Als der erste Schock nach der Demütigung im UEFA-Pokal-Halbfinale überwunden war, versuchten sich die Bayern am nationalen Titel-Glück aufzurichten.

Der Pokalsieg und die deutsche Meisterschaft sollen in der Gesamtbilanz die internationalen Prügel des 0:4 bei Zenit St. Petersburg und den jäh geplatzten Traum von erstmals drei Trophäen in einer Fußballsaison überstrahlen. «Es ist nicht die erste Mannschaft, der das Triple nicht gelingt. Da waren schon andere große Mannschaften von Bayern München auf der Spur, die das auch nicht geschafft haben. Wir gehen erhobenen Hauptes aus dieser Saison», betonte Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge.

Die «katastrophale Leistung», die Ottmar Hitzfeld geschockt hatte und den Trainer ebenso wie Oliver Kahn die finale Krönung einer von großen Erfolgen geprägten Bayern-Ära kostete, wurde zum ärgerlichen Betriebsunfall erklärt. «Wir sollten uns alle nicht verrückt machen jetzt. Wir haben aus meiner Sicht alle Ziele erreicht», meinte Uli Hoeneß. «Saufen und Feiern» riet der Manager den Spielern, die wie Luca Toni entsetzt waren: «Das war das schlechteste Spiel, an das ich mich erinnern kann», kommentierte der italienische Weltmeister.

Bei Rummenigges Bankettrede im prachtvollen Wintersaal des Hotels Astoria gab es um Mitternacht nicht einen Vorwurf an das demontierte Team, sondern vielmehr Dankesworte für eine stolze Jahresleistung. «Wir brauchen nicht groß um den heißen Brei herumzureden. Wir haben ziemlich einen auf die Mütze gekriegt und sind enttäuscht. Aber wir sollten nicht den Fehler machen, Grundsätzliches infrage zu stellen, nicht eine Klasse-Saison der Mannschaft kritisieren», verkündete Rummenigge und schloss mit einem lösbaren Auftrag: «Ich wünsche der Mannschaft, dass sie diesen Abend schnell vergisst und Sonntag den Punkt holt, den wir mathematisch noch zur Meisterschaft brauchen.» Fehlen wird in Wolfsburg Stürmer Miroslav Klose. Der Nationalspieler will seinen Trümmerbruch am Nasenbein operativ behandeln lassen.

Die Schieflage zwischen nationaler Dominanz und dem heftigen K.o. im UEFA-Pokal, der lediglich zweiten europäischen Liga unterhalb der Champions League, wollten die Bosse nicht diskutieren. «Ach, hören Sie mir doch auf mit dem national und international. Das lasse ich mir nicht einreden, dass wir international keine Rolle spielen. Unsere Mannschaft ist müde - basta!», polterte Hoeneß. Auch Kahn schwärmte lieber von dem famos aufspielenden Zenit-Kollektiv, das mit den Treffern von Pawel Pogrebnjak (4./73.), Konstantin Syrjanow (39.) und Victor Faysulin (53.) für die insgesamt erst fünfte Europapokal-Niederlage des FC Bayern mit vier Toren Differenz sorgte und im Finale am 14. Mai auf die Glasgow Rangers trifft: «Das war einfach eine Klasse-Leistung der Russen, die absolutes Champions-League-Format haben. Die Russen waren einfach nicht Getafe.»

Das eigene, bittere Ende seiner internationalen Laufbahn nahm der 38-Jährige verblüffend gelassen hin: «Irgendwann ist man einfach froh, dass es dann auch mal vorbei ist.» Eine echte Zuneigung zum UEFA-Pokal hatte der FC Bayern nie aufgebaut, wie Kahn zugab: «Wir haben den UEFA-Cup immer groß gemacht, einen Wettbewerb, der für den FC Bayern nicht einfach ist.» Die Champions League ist und bleibt der Maßstab, wie der scheidende Kapitän betonte: «Die Mannschaft wird nächstes Jahr zeigen können, wo sie letztendlich in Europa steht.»

Die klarste und schonungsloseste Einschätzung dazu gab Philipp Lahm ab, der weiterhin mit einem Wechsel zu einem europäischen Top-Club liebäugelt: «Meine Aussage steht, dass wir nächstes Jahr nicht die Champions League gewinnen oder ins Finale kommen», kommentierte der Nationalspieler: «Aber ich lasse mich gerne überraschen.»

Die Super-Einkäufe Franck Ribéry und Luca Toni haben genügt, um der Bundesliga Glanz zu verleihen und die Gegner nach Belieben zu dominieren. «International waren wir nicht so stark», gestand Hitzfeld. Man darf gespannt sein, welche Schlüsse Jürgen Klinsmann aus der Augen öffnenden Niederlage zieht. Der neue Cheftrainer könnte weiteren Handlungsbedarf auf dem Transfermarkt anmelden, ein Ribéry und ein Toni genügen nicht für höchste Champions-League-Ambitionen.

Leisten könnten sich die Bayern weitere hochkarätige Stars: Rummenigge kündigte nach den 225,8 Millionen Euro der Vorsaison eine weitere Umsatzsteigerung an. «Wir machen weiter Gewinne.» Finanziell war auch der UEFA-Pokal mit Einnahmen von fast 30 Millionen Euro ein erfolgreiches Jahr. Nur die Chance aufs historische Titel-Triple dürfte so schnell nicht wiederkehren, wie Hitzfeld traurig bemerkte: «Die kommt alle zehn Jahre einmal.» Kahn und ihm ist sie an einem «schwarzen Abend» zum zweiten Mal nach 1999 entglitten.

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