Nach dem Sakrileg: Segen fürs Grünwalder

Löwen-Pfarrer Raß kommt ins Giesinger Stadion – und kanzelt gewalttätige Fans ab: »Was ist schon eine verschmierte Kurve«. Der Pater im AZ-Interview über Moses, Matthäus und den lieben Gott.
Pater Sebastian Heß von der Gemeinde St. Peter in Wörth an der Isar ist seit 1976 Seelsorger für den TSV 1860 München.
AZ: Pfarrer Raß, vor dem Spiel der Regionalliga-Löwen gegen Hessen Kassel geben Sie am Samstag im Grünwalder Stadion Gottes Segen. Das richtige Zeichen, wie viele Fans meinen, nachdem ihr Heiligtum, die Westkurve, durch die Bayern-Schmiererei entweiht worden ist.
SEBASTIAN RASS: Das Stadion ist nicht entweiht. Eine Kirche kann entweiht werden, wenn darin ein Mord geschieht. Ich gebe nur meinen Segen für die Rückrunde, für fairen Umgang. Ich ergreife bewusst keine Partei, darum trage ich im Stadion auch eine grüne Jacke, keine blaue. Dieses Theater mache ich nicht mit, ich schüre keine Emotionen.
Die kochten bei den Löwen-Fans nach der Einfärbung der Westkurve aber hoch. Viele schworen Rache, wie es schon im 2. Buch Mose heißt: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Wie plump. Das ist immer so, wenn die Argumente ausgehen, dann greifen sie zur Gewalt. Bei manchen von diesen Fans schäme ich mich. Es geht nur ohne Gewalt, Mahatma Gandhi ist da das beste Beispiel dafür. Und was ist schon eine verschmierte Kurve. Da gebe ich Hoeneß ganz recht. Ein Lausbubenstreich, mehr nicht.
Sollen die Löwen also laut Matthäus, Kapitel 5, nun auch die andere Backe hinhalten?
Nein, aber wir wollen einen fairen Kampf auf dem Platz, und den haben die Löwen beim Derby gezeigt. Danach haben viele Bayern-Fans aufgehört, gegen uns zu lästern.
Waren Sie im Stadion?
Ja, ich hatte die Karte von Erzbischof Marx. Der wollte auch raus, aber dann musste er zur Bischofskonferenz nach Freising.
Ist Marx denn ein Löwe?
Zumindest trägt er den Löwen in seinem Wappen. Der Name Marx kommt vom heiligen Markus, und dessen Zeichen war der Löwe.
Himmlischen Beistand kann Sechzig gut gebrauchen.
In der 118. Minute habe ich auch gesagt: „Lieber Gott, lass es gut ausgehen.“
Da hat der Liebe Gott aber nicht gut zugehört.
Wissens, der Liebe Gott kann einem helfen, seine Kraft optimal zu investieren. Aber er entscheidet kein Fußballspiel. Wenn zwei Gegner zu ihm beten, zu wem soll er da halten. Da müsste sich der Herrgott ja die Haare raufen.
Interview: Florian Kinast