Muhammad Ali wird 70: Angst um Ali
Louisville - Der einstmals so stählerne Körper gebeugt, der Gang nur noch schlurfend, die Stimme nicht mehr vernehmbar. Es schmerzt, es tut weh, Muhammad Ali leiden zu sehen. Man möchte ihm helfen und weiß doch, dass das nicht möglich ist. Der größte Boxer aller Zeiten ist an seinem 70. Geburtstag, den er am Dienstag begehen wird, gefangen vom Parkinson. Nach Angaben seiner ältesten Tochter Maryum befindet er sich in den letzten Stadien der Krankheit. Eine Lungenentzündung beispielsweise ist eine häufige Todesursache. Zudem kann die zunehmende Unfähigkeit zu schlucken, fatal sein.
Ali weiß, dass er dieses Duell gegen den Parkinson verlieren wird.
Und doch stemmt er sich bis zum Ende dagegen. Und er ließ es sich nicht nehmen, bereits am Samstag in seiner Geburtsstadt Louisville die Glückwünsche von Fans, Freunden und Familienangehörigen entgegenzunehmen. Gestützt von seiner Ehefrau Lonnie sowie seiner Schwägerin stand der Jubilar im Muhammad-Ali-Center rund zwei Minuten lang an einer Brüstung oberhalb der rund 350 Gäste, darunter auch sein mittlerweile 90 Jahre alter ehemaliger Trainer Angelo Dundee, die zu einem Benefiz-Dinner zusammengekommen waren, und bedankte sich mit einem schwerfälligen Winken. Die Feier bildete den Startschuss für die einwöchige Geburtstagsparty für den dreimaligen Schwergewichts-Weltmeister unter dem Motto „Sieben Tage für sieben Jahrzehnte“.
Ein sicherlich angemessener Zeitrahmen für den Größten aller Zeiten. Für den Boxer, der ganze Generationen prägte, der Europäer scharenweise nachts die Wecker stellen ließ, um seine Kämpfe zu sehen, der seine Gegner vermöbelte – mit den Fäusten, aber noch wesentlich eindrucksvoller und eleganter mit seinem losen Mundwerk.
„Wer ist der Größte?" fragte Cassius Clay nach seinem sensationellen Sieg über Sonny Liston in Miami Beach die Presse und gab – der Olympiassieger von Rom 1960 war gerade 22 Jahre alt geworden - selbst die Antwort: „I am the Greatest!" Der weißen amerikanischen Gesellschaft war dieses schwarze Großmaul zunächst zuwider.
Seine drei legendären Jahrhundertkämpfe gegen Joe Frazier und George Foreman in der ersten Hälfte der siebziger Jahre gingen in die Geschichte ein.
Seit 1996 ist Muhammad Ali der berühmteste Kranke der Welt, seit er mit zitternden Händen in Atlanta die Olympische Flamme entzündete, 85.000 Besucher im Olympiastadion und ein Milliarden-Publikum vor den Bildschirmen zu Tränen rührte.
Das sind, kurz zusammengefasst, die drei bedeutenden Lebensabschnitte Muhammad Alis. Sein Gesicht gilt seit einem halben Jahrhundert als das bekannteste der Welt. Doch seit 1984 ist er auch: der bekannteste Parkinson-Patient der Welt. Am 20. September 1984 machte Ali auf einer Pressekonferenz in New York seine Krankheit öffentlich. Anlass waren die gerade vergangenen Olympischen Spiele in Los Angeles. Die Ali-Triologie symbolisiert Triumph und Tragik Olympias wie eine antike Tragödie: 1960 der glanzvolle Olympiasieg, 1984 der völlig Vergessene, 1996 die ergreifende Wiederkehr.
Ali war und ist mehr als ein Boxchampion. „Ich boxe nur, um bestimmte Dinge zu überwinden, die ich sonst nicht überwinden könnte“, hat er einmal gesagt. „Ich bin der schwarze Kissinger.“ Sein Engagement für die Bürgerrechtsbewegung und die politische Emanzipation der Afroamerikaner in den USA, sein Protest gegen den Vietnam-Krieg sind so bedeutsam geblieben wie sein Boxstil für die globale Akzeptanz des ästhetischen Faustkampfes.
Muhammad Ali führt seinen letzten Kampf voller Demut gegen eine Krankheit, die ihm genommen hat, was ihn einst weltberühmt gemacht hat: Seine Athletik und seine Sprache. Er lebt und leidet, welche Ironie des Namens, in Paradise Valley, Arizona. Der strenggläubige Muslim hat einmal über sein Schicksal gesagt: „Ich habe nie gefragt: Warum ich? Ich bin mit so viel Gutem gesegnet. Gott prüft mich.“
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