Muhammad Ali: Der Kampf gegen "Vater Zeit"
Vor genau 30 Jahren endet gegen Trevor Berbick die Karriere der Box-Legende. Wenig später diagnostizieren Ärzte Parkinson. Nun, mit fast 70 Jahren, ist er von der Krankheit schwer gezeichnet.
München - Wer die Bilder gesehen hat, war erschüttert. Muhammad Ali wird bei der Beerdigung Joe Fraziers auf dem kurzen Weg von der Kirche zum Auto von seiner Frau Lonnie und Begleitern gestützt. Jeder Schlurfschritt ist Mühsal. Ein Foto geht um die Welt und zeigt das verfallene Gesicht eines von der fortschreitenden Nervenkrankheit Parkinson gezeichneten apathischen Mannes, der einmal „Der Größte” war. Es ist der Tod das einstigen Rivalen, dem der bedrückende öffentliche Auftritt Alis am 15. November in Philadelphia geschuldet ist.
Lonnie Ali gibt selbst guten Bekannten auf Anfrage keine Auskunft mehr über den zusehends verschlechterten Gesundheitszustand ihres Mannes. Die Antwort per E-Mail: „Dear Harmut, as much as I appreciate your sentiments, I must decline your offer. Thank you for your continued interest in Muhammad and his legacy. Warmest regards, Lonnie Ali.”
Sie hat die Bitte um ein Zitat über das Befinden ihres Mannes für diesen Artikel ausgeschlagen, freundlich, aber bestimmt. Es waren die Tage der wilden Gerüchte anlässlich eines kurzen Krankenhaus-Aufenthalts am 19. November wegen Dehydrierung, die Sorge um den größten Boxer aller Zeiten.
Muhammad Ali wieder ist zu Hause in Paradise Valley, Arizona, und kämpft mit 69 Jahren weiterhin seinen letzten Kampf. Der letzte Boxkampf mit 39 Jahren, der zu seinem Schicksal beigetragen hat, liegt an diesem Sonntag genau dreißig Jahre zurück. Der plakatierte Reim vom „Drama in Bahama” am 11. Dezember 1981 sollte bittere Realität werden. Zehn Runden lang nahm Ali wehrlos alle furchtbaren Schläge des aus Jamaika stammenden, zwölf Jahre jüngeren Trevor Berbick und verlor hoch nach Punkten. Der Sieger brüstete sich: „Ich habe den Größten in Pension geschickt.” Berbick wurde dadurch bekannt, 1986 dann WBC-Weltmeister, später bei der ersten Titelverteidigung von Mike Tyson K.o. geschlagen und letztlich 2006 auf Jamaika ermordet.
Ali akzeptierte nach der deprimierenden Niederlage endlich das Ende seiner ruhmreichen Karriere, die 21 Jahre dauerte. „Vater Zeit hat mich eingeholt. Es ist vorbei. Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen. Zum ersten Mal habe ich gespürt, dass ich vierzig Jahre alt bin”, erzählte er damals. Sein Trainer Angelo Dundee habe ihn zwischen den Runden verzweifelt angefleht: „,Geh raus und schlag ihn.' Ich habe geantwortet: ,Geh du raus und schlag ihn. Ich bin zu müde.’” Die „Sports Illustrated” kommentierte das zum „Drama in Bahama” gewordene Ereignis: „Einer der größten Boxer aller Zeiten war nicht mehr in der Lage, Schaden zuzufügen oder auch nur sich selbst zu verteidigen gegen einen kunstlosen, zuweilen tollpatschigen Gegner.”
Es war eine chaotische Veranstaltung im verrotteten Baseball-Stadion von Nassau. Weil ein Gong fehlte, diente eine Kuhglocke als Ersatz. Wenige Stunden vor dem ersten Glockenschlag drohte Berbick, den Kampf platzen zu lassen, weil seine Börse von 350000 Dollar nicht hinterlegt war. Ali war es nicht so wichtig, ob die 1,1 Millionen Dollar für ihn gesichert waren. Hauptsache, er konnte wieder den Ring, die Bühne seines Egos, betreten. Ohne Rücksicht auf seine angeschlagene Gesundheit.
Alis „Letztes Hurra”, als solches plakatiert, lag bereits 14 Monate zurück, das Comeback nach zwei Jahren gegen Larry Holmes. Ali wurde schon da von seinem einstigen Sparringspartner derart verprügelt, dass Dundee unter Tränen das Debakel nach der zehnten Runde beendete. Dieser erbarmungswürdige Auftritt in Las Vegas sollte eigentlich Muhammad Alis letzter Kampf gewesen sein. Kurz nach dieser Demütigung im Ceasars Palace bemerkten Freunde, dass Alis Hände leicht zitterten und er langsamer sprach, manchmal auch schon nuschelte. Keine zwei Jahre nach dem „Drama in Bahama” diagnostizierten Ärzte der Universität von Kalifornien in Los Angeles das Parkinsonsche Syndrom.
Weitere Tests bestätigten die Diagnose, die aber geheimgehalten wurde. Im Krankenhaus wurde Ali unter dem Pseudonym „Paul Jefferson” geführt. Erst am 20. September 1984 machte Muhammad Ali auf einer Pressekonferenz in New York seine Krankheit öffentlich. Der aktuelle Anlass waren die zurückliegenden Olympischen Spiele in Los Angeles. Bei einem Besuch wenige Tage vor den Spielen in seinem Anwesen Freemont Place – einen Steinwurf vom Coliseum entfernt – antwortete Ali auf die Frage, ob er zur Eröffnungsfeier gehen werde, traurig: „Nein. Ich bin nicht eingeladen. Sie halten mich für einen blödgeschlagenen Boxer.” Zwölf Jahre später entzündete der Olympiasieger von 1960 und berühmteste Athlet aller Zeiten mit zitternder Hand das Olympische Feuer in Atlanta. Muhammad Ali wird am 17. Januar 2012 siebzig Jahre alt. Der Kampf gegen „Vater Zeit” geht weiter.
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