Interview

Münchens erster Box-Weltmeister: Krasniqi im AZ-Interview

Robin Haxhi Krasniqi ist mit dem K.o-Sieg über Dominic Bösel der erste Münchner Boxweltmeister.
Matthias Kerber
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"Einer meiner härtesten Treffer!": Haxhi Krasniqi (r.) knockt Dominic Bösel aus.
"Einer meiner härtesten Treffer!": Haxhi Krasniqi (r.) knockt Dominic Bösel aus. © imago images/Christian Schroedter

München - Robin Haxhi Krasniqi krönt sich durch den K.o-Sieg über Dominic Bösel zum ersten Boxweltmeister, den München je hervorgebracht hat. In der AZ spricht er über den Triumph und seinen harten Werdegang.  "Als dann der Ringrichter angezeigt hat, dass der Kampf vorbei ist, war das der schönste Moment in meinem ganzen Leben", so der Weltmeister.

AZ: Hallo, Herr Krasniqi, oder sollen wir sagen: Hallo, Herr Weltmeister?
ROBIN HAXHI KRASNIQI: (lacht) Das hört sich noch so vollkommen surreal an, aber ess hört sich sehr gut an, vielen Dank!

Wie war es, nach der Erfüllung Ihres Lebenstraumes als Weltmeister aufzuwachen?
In der Nacht auf Sonntag habe ich überhaupt nicht geschlafen, ich bin mal irgendwann für 40 Minuten weggedöst, aber das war es dann auch. Ich war so voller Adrenalin, mein Herz drohte zu explodieren, ich war so aufgewühlt, so voller Emotionen, an Schlaf war gar nicht zu denken. Und als ich dann mal geschlafen habe, war es ein großartiges Gefühl, aufzuwachen und zu wissen, dass es nicht nur ein Traum war, sondern die Realität. Denn es war immer mein großer, großer Lebenstraum, dass ich einmal Weltmeister werde. Ich bin in meinem Leben, in meiner Karriere, durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Ich habe ja bereits vorher zwei Mal um die WM geboxt, aber leider jeweils verloren. Ich war so nahe dran, der Traum war zum Greifen nahe, aber ich habe ihn nicht erfüllen können. Es gab in dieser Zeit auch viele Tränen, aber ich wusste für mich selber immer: Mein Weg ist noch nicht zu Ende. Mein Wille hat mich getragen. Und jetzt habe ich diese Gürtel. Alle Opfer, alle Schmerzen, alle Tränen - und davon gab es nicht wenige - waren nicht umsonst.

"Der schönste Moment in meinem ganzen Leben"

Viele hatten Sie nach Ihren Niederlagen gegen Nathan Cleverly, Jürgen Brähmer und zuletzt Stefan Härtel schon abgeschrieben.
Das stimmt. Und es tat auch weh, wenn die Menschen vom Sofa weg ein Urteil über dich fällen, sie sagen, dass du am Ende bist, dass du einfach nicht gut genug bist. Doch tief in mir drin, habe ich immer dieses Lächeln gehabt, denn ich wusste: Das, was die anderen als mein Ende sehen, ist für mich nur ein Neuanfang. Ich habe mein Leben lang davon geträumt, Weltmeister zu werden - und nichts konnte mich von der Erfüllung des Traums abhalten.

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Und dann in der dritten Runde haben Sie Bösel voll erwischt.
Ja, ich habe sofort in meiner Hand, in meinem eigenen Knochen gespürt, dass dies ein Volltreffer war. Es ist für Nichtboxer vielleicht schwer, zu verstehen, aber man spürt bei einem Treffer in den eigenen Knochen, wie es dem Gegner geht. Und ich wusste, das war einer der härtesten Treffer, den ich in meinem Leben je gelandet habe. Als dann der Ringrichter angezeigt hat, dass der Kampf vorbei ist, war das der schönste Moment in meinem ganzen Leben. Diesen Moment werde ich nie vergessen, werde ich bis zu meinem Tod in meinem Herzen tragen. Egal, was jetzt noch passiert, besser kann es nicht mehr werden. Ich bin so froh, so glücklich, dass ich die Familie, besonders auch meinen Vater mit diesem Sieg stolz machen konnte. Er hat mich meine gesamte Karriere unterstützt. Wir haben uns danach nur angeschaut, er hatte nicht mal Worte, aber seine Augen sagten alles.

"Ich habe alles auf eine Karte gesetzt: Boxen!"

Sie sprachen die Familie an. Als Sie 17 Jahre alt waren, flohen Sie alle vor dem Bürgerkrieg in Jugoslawien. Eine Zeit, die Sie sehr geprägt hat.
Ja. Ich habe Dinge gesehen, die kein Mensch, besonders kein Kind sehen sollte: Zerstörung, Tod, Leichen. Ich werde dieses Gefühl der Angst nie vergessen, dieses Gefühl, wenn man weiß, dass man jede Sekunde sterben kann, dass der Tod jederzeit da sein kann. Ich werde auch nie das Geräusch vergessen, wenn Bomben und Granaten neben dir explodieren. Man glaubt, der Kopf platzt in diesem Moment. Wir hatten das Glück, dass aus unserer engsten Familie alle lebend aus diesem Inferno entkommen sind, aber mehrere Cousins und andere Verwandten sind damals ums Leben gekommen. Wir sind dann nach München gekommen, mussten uns durchschlagen. Ich musste eine neue Sprache lernen, das Erlebte vergessen, musste mir einen Job suchen, mich in einem fremden Land, einer fremden Kultur zurechtfinden. Es war nicht leicht, aber ich bin Deutschland sehr dankbar für alles. Und während dieser ganzen Zeit habe ich immer an meinem Traum festgehalten, dass Boxen mein Lebensinhalt ist. Das alles unter einen Hut zu bringen, hat einem alles abverlangt. Und für sich selber wusste man: Die Zeit rennt mir davon. Daher habe ich dann alles auf eine Karte gesetzt: Boxen!

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Wer Ihre Anfänge 2005 in München erlebt hat, hätte sich auch nicht vorstellen können, dass Sie 15 Jahre später Weltmeister werden.
Das stimmt. Sie können das ja bezeugen, die AZ begleitet mich ja schon sehr lange. (lacht). Aber Spaß beiseite: Ich bin ohne einen einzigen Amateurkampf sofort zu den Profis, weil mein Promoter wissen wollte, ob ich es in mir habe. Meine einzige Waffe war damals mein Wille. Und auch die Kämpfe, die ich damals bestritten habe, waren auf dem untersten Niveau. Aber das war die Schule, durch die ich gegangen bin, gehen musste. Und jetzt bin ich Weltmeister, das ist schon Wahnsinn!

Was kommt nach dem Boxen? Gym und Eisdiele

Seit kurzem betreiben Sie ein eigenes Gym in Augsburg und auch eine Eisdiele dort.
Das stimmt, es war mir immer wichtig, dass ich auch noch andere Standbeine habe. Ich lebe meinen Traum, so lange es geht, aber ich werde danach auch in kein Loch fallen. Ich werde auch heiraten, Kinder kriegen. Ich liebe mein Leben als Boxer, aber ich freue mich auch auf das Leben danach.

Haben Sie schon eine Weltmeister-Eissorte kreiert?
Ja, eine mit Oreo-Keksen, ich mag das Besondere.

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