"München ist ein Wintersport–Mekka"
Mit dem Parallelslalom in der Stadt betreibt München Werbung für 2018. Riesch schwärmt trotz frühem Aus. Ude kündigt Fortsetzung an
MÜNCHEN Der Ansager hatte den letzten Vokal im Namen von Ted Ligety lang gezogen wie bei einem Boxer, der vor dem Kampf präsentiert wird. Dann dröhnte „Born in the USA“ aus den Lautsprechern, die jedem Musikfestival zur Ehre gereicht hätten und der Amerikaner preschte zur Fahrervorstellung die Piste am Olympiaberg hinab. Am Zielhang legte der Riesenslalom-Spezialist noch einen spektakulären Sprung hin. Tosender Jubel brandete auf.
Der Ski-Weltcup am Sonntagabend war ein ganz anderes Skirennen, als man das von den Veranstaltungen des Sports der vergangenen Jahrzehnte gewohnt war: Halb Rockkonzert, halb Gladiatorenkampf – und alle, die 25000 Zuschauer sowie sämtliche Teilnehmer, waren begeistert.
„Die Kulisse ist einmalig“, sagte Maria Riesch, die schon in der ersten Runde ausgeschieden war, „das Gefühl ist unbeschreiblich, wenn du da oben stehst und auf diese Menschenmassen schaust.“ Lange wurde im internationalen Skiverband (FIS) darum gerungen, aus der Natur in die Städte zu gehen, ja vielleicht sogar eine Entfremdung des Sports in Kauf zu nehmen.
Dass in München zum ersten Mal in der Stadt um Weltcuppunkte gefahren wurde, hat sich als goldrichtige Entscheidung herausgestellt. „Die Zuschauer sehen hier, wie saucool der Skisport ist“, sagte Viktoria Rebensburg – auch sie überstand die erste Runde nicht, genauso wie Susanne Riesch.
Am Ende siegten bei den Frauen die Schwedin Maria Pietilä-Holmner und bei den Männern der Kroate Ivica Kostelic. Der Slalom-Olympiasieger von Turin zeigte sich auch auf der Pressekonferenz nach der Veranstaltung noch beeindruckt: „Das war wie ein mittelalterlicher Ritterkampf.“ Der Italiener Werner Heel war ein weiteres Erstrunden-Opfer, aber fand, an einem „supergeilen Event“ teilgenommen zu haben.
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude war indessen glücklich, mit dem gelungenen Parallelslalom der Münchner Olympia-Bewerbung für 2018 Nachdruck verliehen haben – und forderte ein weiteres Rennen in der kommenden Saison. „25000 Zuschauer, das ist sagenhaft“, sagte Ude, als er am Mikrofon an der Piste zu den Zuschauern sprach und fragte diese höchst rhetorisch: „Wollen wir das wiederholen?“ Die Antwort des Publikums war laut, intensiv und klar: „Jaaa!“ Auch Katarina Witt, Präsentations-Chefin der Olympia-Bewerbung, tat sich nicht schwer, den Abend im Olympiapark einzuordnen: „Das sind die Bilder, die in die Welt gehen: Die Stimmung ist toll, die Athleten sind gerne gekommen, haben Spaß und der Wettbewerb ist gut organisiert.“
Rosi Mittermaier, Deutschlands große Skifahrerin der 70er Jahre, war schon 1986 dabei, als ihr Mann Christian Neureuther das erste Internationale Skirennen am Olympiaberg veranstaltete. „Es gefällt mir richtig gut heute“, sagte Mittermaier, „das ist so wie damals. Nur mit Musik.“
Kaum kamen die Läufer im Ziel an, wehte ihnen wieder ein Musikstück um die Ohren. Bei frostigen Temperaturen hüpften, sangen und tanzten die Zuschauer, zum Anton aus Tirol, dem Summer of 69 und dem Elektro-Hit Barbra Streisand. „Die Kulisse ist der pure Wahnsinn“, meinte Martina Ertl-Renz, Weltmeisterin von 2001 und 2005.
Christian Ude hatte am Ende vollends die Euphorie gepackt. „Diese Stadt ist ein Wintersport-Mekka“, pries er.
Olympiapark-Chef Ralph Huber, der den ganzen Nachmittag und Abend ob des großen Zuschauerzuspruchs mit einem breiten Grinsen über sein Areal gelaufen war, kündigte schon einmal eine ziemlich wahrscheinliche Fortsetzung an: „Wir werden unseren Hut auch in Zukunft wieder in den Ring werfen.“
Julian Galinski