„Monstermäßiger Mist“

Vor dem Davis-Cup-Duell mit Österreich in Garmisch entschuldigt sich Philipp Kohlschreiber für seinen peinlichen Abtritt in Melbourne.
GARMISCH Den denkwürdigen Abend seines Australian Open-Ausscheidens 2009 würde Philipp Kohlschreiber (25) nur zu gerne aus dem Gedächtnis radieren. Aber natürlich hat der Tennis-Nationalspieler selbst noch jedes kleinste Detail der fatalen Minuten parat, die ihn im fernen Melbourne zum Gespött der eigenen Kollegen, der Journalisten und der Fans gemacht hatten: „Ich war monstermässig angefressen, musste einfach Dampf ablassen“, sagt Kohlschreiber. Was passiert sei, könne er nicht mehr rückgängig machen, aber „ich weiß schon, dass ich da großen Mist gebaut habe.“ Mit den unreifen Ausfällen gegen den elf Jahre älteren Kollegen Fabrice Santoro und den verwegenen Bemerkungen über Sinn und Unsinn von Fünf-Satz-Matches bei Grand Slam-Turnieren.
Wenn Kohlschreiber sich an diesem Wochenende wieder der deutschen Öffentlichkeit und den Medien beim Davis Cup-Schlager gegen Österreich (Freitag bis Sonntag in Garmisch-Partenkirchen) stellt, ist ihm klar, „dass da sicher ein paar Seitenhiebe“ auf seine Kosten gemacht werden: „Das habe ich mir selbst eingebrockt, aber ich bin bereit, das auszubaden.“ Über den „Quatsch“, den er verzapft habe, sei er selbst am meisten verärgert, so Kohlschreiber. Er hat sich vorgenommen, bei der nächsten sportlichen Enttäuschung „sich eine Dreiviertelstunde Auszeit nehmen, Frust abbauen, notfalls auch einen Schläger zerhacken. Aber sich auf keinen Fall mehr mit dem Gegner beschäftigen. Das darf nicht mein Thema sein“.
Beim Davis-Cup-Nachbarschaftsduell mit Österreich schleppt Kohlschreiber nicht nur wegen der Santoro-Affäre eine schwere Hypothek mit sich herum, sondern auch, weil er die zugedachte Führungsrolle in der Nationalmannschaft bisher nicht nur sehenswerte Auftritte im Tenniszirkus untermauern konnte. Über weite Strecken der ersten Tennismonate 2009 hat sich kein anderes Bild geboten als im Sommer und Herbst 2008, als Kohlschreiber den anvisierten Sprung unter die Top 20 der Rangliste verpasste und bis auf einen Halbfinalvorstoß in Wien wenig Bemerkenswertes zuwege brachte. Sein letztes Finale erreichte der beste der jungen Deutschen in Halle im vorigen Frühling, zu wenig auch für seinen eigenen Geschmack: „Das, was ich wollte, habe ich nicht erreicht.“
Kohlschreiber wünscht sich nichts mehr, als dass das „Schlimmste in dieser Saison schon hinter mir liegt“: „Ich brauch’ jetzt mal einen richtigen Schlag, damit es wieder nach vorne geht.“ Der Davis Cup, das Heimspiel gegen Österreich in Garmisch, wäre der „richtige Ort im richtigen Moment“ für diese Initialzündung, das weiß Kohlschreiber: „So ein Spiel, das hat schon eine wegweisende Bedeutung.“
Auch für die weitere Stimmung im Team. Da gab’s ja Irritationen um die Nominierung. Während Kohlschreiber schon vor einem halben Jahr berufen wurde, informierte Teamchef Patrik Kühnen die Kollegen Nicolas Kiefer, der seine Teilnahme bei den BMW Open in München (2. bis 10. Mai bei Iphitos) zugesagt hat, und Rainer Schüttler kurzfristig. Schüttler beklagte sich darüber. Kühnen will das aber keinesfalls als Spaltpilz gelten lassen. „Das ist eine absurde Unterstellung“, sagte er in Garmisch. „Ich habe das im Team angesprochen. Das entbehrt jeder Grundlage.“ Er versprach aber: „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir das in Zukunft anders handhaben werden.“
Jörg Allmeroth