Mon Dieu! Annecy tritt gegen München 2018 an
MÜNCHEN - Im Rennen um die Olympischen Winterspiele 2018 hat München nun einen weiteren Konkurrenten. Auch Annecy bewirbt sich nun, eine Stadt im Osten Frankreichs, bei der man sich berechtigterweise fragen darf, was sie dort mit Wintersport zu tun haben
Annecy, ein kleines beschauliches Städtchen im Südosten Frankreichs an der Grenze zur Schweiz. Die Hauptstadt des Départements Haute-Savoie mit 51.100 Einwohnern, urkundlich erstmals erwähnt im Jahre 1107. Malerisch gelegen an der Nordspitze des Lac d'Annecy. Aber sportlich noch nie aufgefallen.
Gut, die Tour de France radelte hier ein paar Mal durch. Und in diesem Jahr wird es rund um den See bei der Radrundfahrt im Juli zu einem Einzelzeitfahren kommen. Und ja, alljährlich findet der Schwimmwettkampf Traverse du lac d’Annecy („Überquerung des Sees von Annecy“) statt. Drei Distanzen stehen zur Auswahl: 0,9 km, 1,2 km und 2,5 km. Und sogar eine Weltmeisterschaft hat es hier schon einmal gegeben, die Junioren-WM der Leichtathleten 1998.
Aber Wintersport?
Es mutet schon bizarr an, dass Annecy nun die Olympischen Winterspiele 2018 ausrichten will. In einem Ort, wo zwar der beste französische Langläufer auf die Welt kam, Vincent Vittoz, das aber sonst gar keine Tradition hat, was Ski- und Eiswettbewerbe angeht. Soll auch hier alles erst aus dem Boden gestampft werden? Böse Erinnerungen werden wach, an Albertville 1992, an die Retortenspiele, als es massive Proteste gegen die Schanzen in Courchevel gab und den Eiskanal von La Plagne, Sportstätten, die danach als verwaistes Mahnmal des olympischen Gigantomanismus in der Gegend herumstanden.
Doch das schreckt die Franzosen nicht ab. Bei der nationalen Ausscheidung am Mittwoch setzte sich Annecy gegen die Mitbewerber Grenoble, Nizza und Pelvoux-les-Ecrins durch. Als weiterer Mitbewerber hat sich bisher nur Pyeongchang gemeldet, die Südkoreaner sind mit ihrer Kandidatur bereits zweimal gescheitert und glänzten zuletzt mit einer unfassbar schlecht organisierten Biathlon-WM, die Sportler und Fernsehzuschauer gleichermaßen abschreckte.
Muss München sich also wirklich Sorgen machen, bei der Vergabe im Sommer 2011 nicht den Zuschlag zu bekommen? Schließlich scheint das Konzept mit den vorhandenen Sportstätten und der großen Wintersport-Tradition an den Austragungsorten Garmisch-Partenkirchen und Königssee doch schlüssig und überzeugend. Dass solche Argumente freilich nichts zu sagen haben, zeigte sich zuletzt am Beispiel Salzburg. Die Alpen-Romantik zog bei den Mitgliedern des IOC überhaupt nicht, am Ende fiel die Wahl auf Sotchi. Auch da gab es bis dahin keinen Wintersport. So wie jetzt in Annecy.
Florian Kinast