Mit Kreuzbandriss zu Olympia? "Felix wäre nicht der Erste"
Nach seinem Kreuzbandriss macht Neureuther schon wieder erste Reha-Übungen – und will die Spiele 2018 nicht abschreiben. "Da wäre Felix nicht der Erste, dem das gelingt", sagt Frank Wörndl.
München - Aufgeben ist ein Wort, das im Wortschatz von Felix Neureuther keine Daseinsberechtigung hat. Und selbst wenn es die hätte, würde es vor Kummer eingehen, das arme Wort – weil es halt nie dran kommt. Egal wie schlecht die Nachrichten, wie trüb die Aussichten oder wie gerissen die Kreuzbänder auch sein mögen. Selbst nach dem märchenhaftesten Start seiner Weltcup-Karriere – Platz eins im ersten Rennen als frisch gebackener Vater – lässt sich der Garmischer Gaudibursch vom beim Training in Copper Mountain erlittenen Kreuzbandriss die Laune nicht verhageln.
"So viele Chancen habe ich nicht mehr"
Kaum war er am Montagmorgen auf Krücken dem Flieger aus Denver/Colorado entstiegen, gab er zu Protokoll: "So lange noch ein kleines Fünkchen Hoffnung besteht, dass vielleicht sogar tatsächlich auch Olympia möglich sein sollte, werde ich jedes kleine Fünkchen Hoffnung probieren zu ergreifen." Der 33-Jährige gab aber zu, dass eine Olympiateilnahme "eine Träumerei in meinem Kopf" sei und "im Moment auch ganz weit weg". Außerdem betonte er: "Ich gehe nur an den Start, wenn ich eine Medaillenchance habe. Sonst macht das keinen Sinn."
In der Tat stellt sich die Sinnfrage: Bis zum Start des Olympia-Slaloms am 22. Februar sind es noch gut zwölf Wochen, der Riesenslalom findet vier Tage vorher statt – so schnell heilt kein Kreuzband der Welt, auch wenn Neureuther auf Instagram schon ein Video postete, das ihn offenbar schon bei den ersten Reha-Übungen in einem Schwimmbad zeigt.
Dazu schrieb er: "Löwen regenerieren nicht wie Menschen! Weiterkämpfen". Der Spruch stammt von Zlatan Ibrahimovic, der gerade 211 Tage nach einem Kreuzbandriss sein Comeback gab.
Auch mit dem Schweizer Carlo Janka hat Neureuther schon Kontakt aufgenommen: Der Olympiasieger plant, trotz eines Ende Oktober erlittenen Kreuzbandrisses in Pyeongchang zu starten. "Ich bin jetzt 33, ich brauche mir nichts vormachen: So viele Chancen habe ich nicht mehr", betont Neureuther.
"Da wäre Felix nicht der Erste, dem das gelingt"
Ein Start mit gerissenem Kreuzband, geht das überhaupt? "Klar geht das", sagt Frank Wörndl, der Slalom-Weltmeister von 1987, "da wäre Felix nicht der Erste, dem das gelingt." Ob das allerdings eine gute Idee ist, vermag er aus der Ferne nicht zu beurteilen: "Es kommt jetzt darauf an, wie stabil das Knie ist. Wenn sonst nichts beschädigt und die Oberschenkelmuskulatur darüber stark genug ist, dann kann das funktionieren – solange der Ski wie geplant läuft. Ausgleichbewegungen wie bei seinem Trainingsunfall sind nicht drin.
Und dann kann natürlich noch mehr kaputt gehen, Stichwort Arthrose." Wörndl hat noch ein Beispiel: Irene Epple (Olympia-Silber 1980) ließ einen Kreuzbandriss sechs Jahre lang unbehandelt – was letztlich zu einer Arthrose im Knie führte. Dass die jetzige Verletzung schlimm ist, wusste Neureuther jedenfalls sofort: "Eine Sekunde und du merkst, dass dein Knie explodiert. Ich habe probiert, meine Grenzen weiter auszureizen. Das war der Hauptfehler."
Die Voraussetzung für einen möglichen Olympiastart wäre also zunächst: keine Operation. Neureuther will jetzt sehr schnell viele Meinungen einholen: von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und vom Kniespezialisten Christian Fink von der Uniklinik Innsbruck. "Ich mag definitiv alles versuchen, dass es funktioniert", so Neureuther, der von Vater Christian am Flughafen abgeholt wurde. Der hatte unlängst im AZ-Interview noch über die Umstellung auf längere Schwungradien geklagt: "Zuerst ging es auf den Rücken, jetzt kommt wieder das Knie."
Befürchtungen, die Blessur könnte gar die Karriere Neureuthers beenden, wollte dieser schnell zerstreuen: "Ich bin hundertprozentig felsenfest überzeugt, dass ich es nochmal schaffen kann. Vielleicht war es so ein Zeitpunkt, wo ich sage: Das war es noch nicht nach dem Jahr, oder auch nach dem nächsten Jahr. Vielleicht mache ich noch sechs Jahre weiter. Es kann alles passieren."
Von Teamkollegen und auch Rivalen gab es aufmunternde Worte. "Extrem bitter und schade" nannte Hauptkonkurrent Marcel Hirscher den Ausfall. "Megaschade für ihn, den Sport und auch für mich. Ich hoffe, dass er diesen Rückschlag schnell und gut wegsteckt. Er wird uns allen, insbesondere mir in dieser Saison sehr fehlen!" Fritz Dopfer schrieb bei Facebook: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass du sehr bald wieder zu deiner gewohnten Stärke zurückfindest –wir alle brauchen DICH!" Und Abfahrer Josef Ferstl meinte: "Voll Mist! Felix ist einfach der Mann, die Zugperson im DSV. Ich hoffe, wir können ihn einigermaßen gut vertreten."
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