Mit einem Handicap, aber ohne Limits
Paralympics-Sieger Michael Teuber kämpft sich mit gebrochenem Schlüsselbein auf Spaniens höchsten Berg. „Ich musste an meine absolute Grenze gehen“, sagt der Radprofi, der seit einem Verkehrsunfall unterhalb der Kniegelenke komplett gelähmt ist.
SANTA CRUZ Ganz oben am Gipfel, so die Legende, wohnt der Dämon Guayota. In 3718 Metern Höhe, auf Spaniens höchstem Berg, dem Vulkan „El Teide“ auf Teneriffa. Wer den Dämon besuchen will, braucht Kraft, Mut und Nerven. Und ein Mountainbike.
Michael Teuber, der Paralympicssieger von Peking, hat sich hinaufgewagt, mit dem Rad und zu Fuß. Zehn Stunden brauchte er bis ganz nach oben, zehn Stunden Qual. „Ich musste an meine absolute Grenze gehen“, sagt der Profi, der seit einem Verkehrsunfall vor 18 Jahren unterhalb der Kniegelenke komplett gelähmt ist.
Doch es war nicht die Behinderung allein, die sein Projekt „0-4000. mit Handicap – ohne Limits“ zu einem Höllenritt auf den Vulkan machte. Ein Sturz beim Münchner Sechstage-Radrennen hatte sein Schlüsselbein zerschmettert. Mit einem Titannagel wurde der Bruch eilig zusammengeflickt. 48 Stunden vor dem Flug nach Teneriffa. Doch der Radprofi aus Dietenhausen wollte sein Projekt nicht abblasen. „Ich hatte bereits einen riesen Aufwand betrieben“, sagt der 40-Jährige, der die fünfstelligen Sponsorenerlöse der Deutschen Sporthilfe spenden will.
Also steht Teuber am Morgen vor dem Trip mit gebrochenem Schlüsselbein und Rennrad am Strand von „El Medano“. Die Surfer, die hier die Wellen reiten, schlafen noch, es ist kurz nach sechs Uhr. Der Trip beginnt bei Null Höhenmetern. Teubers Frau Susanne und Berg-Experte Sepp Heigenhauser begleiten ihn, passieren mit ihm bei Morgenröte die 1000-Meter-Marke.
Mit jedem Meter nehmen die Schmerzen zu. Teuber kann nur noch mit einen Arm fahren. Schwefel zischt aus den Kratern der Lavalandschaften um ihn herum. Die letzten 1300 Meter legt er zu Fuß zurück. Die Luft im Vulkankegel wird dünn, im Schlüsselbein pocht der Schmerz.
Bergführer Heigenhauser macht Druck: Der Gipfel muss vor 16 Uhr erreicht sein, sonst reicht es nicht für den Abstieg. Und dann geht es plötzlich nicht mehr höher. Die Spitze des dritthöchsten Inselvulkans der Erde ist erreicht. Der Rausch des Gipfelglücks stillt den Schmerz, besänftigt den Puls. „Das war ein Meilenstein“, erinnert sich Teuber „Dass ich das geschafft habe, bedeutet mir so viel wie die Goldmedaille in Peking.“ Den Dämon, von dem sie reden, wenn sich einer auf den „El Teide“ wagt, den hat Teuber während Aufstiegs mehrmals gespürt. Aber am Ende hat er ihn besiegt.
Reinhard Keck
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