Michael Stich im AZ-Interview: "Jetzt kommt schon die nächste Generation"

AZ-Interview mit Michael Stich: Der 53-jährige Ex-Profi gehörte in den 1990er Jahren zur Weltspitze im Tennis.
AZ: Herr Stich, mit Ihrem alten Doppelpartner Patrik Kühnen, mit dem Sie 1993 im Davis-Cup-Finale die damals als unschlagbar geltenden Woodbridge und Woodforde bezwangen, haben Sie bei der Players Party der BMW Open das Doppel Kevin Krawietz/Andy Mies mit dem Iphitos-Award ausgezeichnet. Juckt es Sie bei solchen Athleten selbst noch in den Fingern?
MICHAEL STICH: Nein, ich bin froh, dass es vorbei ist. Es war eine tolle Zeit, aber ich muss sie nicht noch mal erleben.

Michael Stich steht selten auf dem Tennisplatz: "Nur noch zum Spaß"
Weil es so stressig war?
Es ist ein harter Job. Man ist viel von zuhause weg, man gibt viel auf, bekommt aber auch sehr viel wieder zurück.
Wie oft stehen Sie noch auf dem Platz?
Sehr selten. Im Sommer bei schönem Wetter ab und zu.
Nicht mehr auf der Black Rock Tour of Champions, der Seniorentour für ehemalige Grand-Slam-Sieger und Davis-Cup-Gewinner?
Nein, nur noch zum Spaß. Keine Punkte mehr.
Auch keine Matches mehr in der 2. Bundesliga für den TC Logopark Hartenholm?
Nee, nur noch wegen der Bewegung. Und weil es ein toller Sport ist, nach wie vor.
"Es nicht mehr meine Art des Tennisspielens"
Von 2009 bis 2018 waren Sie Turnierdirektor des ATP-Turniers am Rothenbaum. Wie sehr verfolgen Sie noch das Geschehen im Tennis-Zirkus?
Ich habe ja mit dem Patrik zusammen alle zwei Wochen diesen Podcast bei Sky, "Maddog and Wingman". Dafür muss ich mir natürlich was anschauen, aber ich tue mir schon schwer damit, Tennis zu schauen.
Weil es zu viel Raum in Ihrem Leben eingenommen hat?
Ja, das zum Einen. Aber auch, weil es nicht mehr meine Art des Tennisspielens ist, was heute geboten wird. Es ist sehr athletisch, nicht kreativ genug. Das sind tolle Athleten, tolle Tennisspieler, aber ein bisschen Abwechslung und Kreativität würde ich gerne sehen.
"Es fehlt die Vielfältige verbunden mit Athletik"
Über Jahrzehnte konnten Tennis-Fans sich nun an so gegensätzlichen Spielern wie Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic ergötzen - diese Vielfalt geht bei der neueren Generation ab, korrekt?
So ein Spieler wie Federer fehlt. Einer, der Tennis spielt und nicht nur arbeitet. Das ist jetzt keine Abwertung anderer Spieler, aber dieses Vielfältige verbunden mit Athletik, fehlt halt einfach. Dazu gibt es nicht mehr diese Rivalitäten, diese unterschiedlichen Spielstile wie Agassi/Sampras, wie Connors/McEnroe oder Borg/McEnroe. Die Beläge sind alle sehr gleich geworden - das macht es auch nicht einfacher.
Wie oft schwelgen Sie mit Patrik Kühnen noch in den guten, alten Zeiten?
Mit Patrik schwelge ich gern mal in Erinnerungen. Das ist ja das Einzige, was uns bleibt. (lacht) So ein Davis-Cup-Sieg verbindet. Patrik ist schon ein sehr guter Freund.
Ein Blick noch in die Gegenwart: Wie sehen Sie die Entwicklung von Alexander Zverev, ein Hamburger so wie Sie?
Dass er das Potenzial hat, einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, steht völlig außer Frage. Dass er die Nummer eins werden kann, auch. Aber jetzt kommt schon wieder die nächste Generation. Die sind fünf, sechs Jahre jünger und kratzen auch schon wieder an der Tür. Es ist ein steter Wettkampf, den man durchleben muss, aber dass er das Potenzial dazu hat, ist keine Frage.