Michael Schumacher: Der Sternfänger
Rekordweltmeister Schumacher träumt nach einer Trainingsbestzeit von neuen Triumphen in seinem Silberpfeil. Vor dem Start in Australien tönt der Routinier: „Mercedes soll zum Siegerteam werden”
MELBOURNE Mittags waren dicke Wolken aufgezogen über Melbourne, kurz vor dem Nachmittagstraining der Formel 1 im Albert Park, wo am Sonntag das erste Saisonrennen stattfinden wird (7 Uhr MEZ, RTL und Sky live), entluden sie sich in einem heftigen Wolkenbruch. Die meisten Piloten blieben darum ob des miesen Wetters zunächst lieber in der Box. Und als sie dann doch noch rausfuhren, hatten all die Vettels, Alonsos, Hamiltons, Buttons oder Räikkönen doch keine Chance gegen den Regengott.
Michael Schumacher hat also das zweite Freie Training in Melbourne auf Rang eins beendet. Endlich mal konnte sich der Altmeister, der im Januar 43 geworden ist, mal durchsetzen gegen Sebastian Vettel, der nur Zehnter wurde auf der nassen Strecke. Gut, es war nur das zweite Freie Training, das zudem unter ungewöhnlichen Bedingungen stattfand. Doch weil Schumacher auch im ersten, unter regulären Bedingungen abgehaltenen Training nur die beiden McLarens ziehen lassen musste und auch sonst problemlos unterwegs war, war dies schon ein Fingerzeig an die Konkurrenz. Mit Schumacher muss wieder gerechnet werden in diesem Jahr. „Das war ein schöner Start. Wir haben eine exzellente Maschine”, lobte Schumacher seinen neuen Silberpfeil, mit dem zumindest Platzierungen auf dem Podest möglich sein sollten.
Zwei Jahre lang hat Schumacher ungewollt zwar, aber das umso erfolgreicher, an der Entmythisierung seiner Person gearbeitet. Zwei Jahre ist er, der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten, hinterhergefahren in der Formel 1. Während Schumacher es auf seinem weidwunden Mercedes kein einziges Mal auf das Podium schaffte, schwang sich Sebastian Vettel zum Doppelweltmeister und unangefochtenen Dominator auf. Schumacher blieben, so schien es, nur die Erinnerungen an alte, glorreiche Zeiten. Die sieben Sterne auf seiner Kappe, für jeden Titelgewinn eins, verkamen nach und nach zum Mahnmal.
Doch Schumacher will es noch einmal wissen. Jetzt, da der letzte Abschnitt seines geplanten Drei-Jahres-Zyklus bei Mercedes beginnt, will er den großen Stern auf der Fahrzeugnase wieder zum Leuchten bringen. „Wir haben unsere Ziele: Mercedes soll zum Siegerteam werden. Deswegen bin ich gekommen”, sagte Schumacher in Melbourne. Ähnliches hatte er zwar auch in den vergangenen beiden Jahren gesagt, doch nun scheint es zum ersten Mal eine realistische Einschätzung. Er will wieder zum Sternfänger werden.
50 Techniker hat Mercedes über den Winter eingestellt. Alles neu geschaffene Stellen, wohlgemerkt. Unter den Neuzugängen sind auch namhafte Leute wie Aldo Costa, ehemals Technikchef bei Ferrari, oder Bob Bell, früher in gleicher Funktion bei Renault. Gemeinsam mit Ross Brawn, der noch immer als genialster und innovativster Ingenieur der Branche gilt, haben sie dem Silberpfeil einige Finessen spendiert. In der Nase des Boliden befindet sich ein Schlitz. Die Luft wird von dort auf den Frontflügel geleitet. Am Heckflügel befindet sich ein weiterer Schacht. „Der Mercedes ist aufgerückt zu den Topteams. Im Moment sind sie sicherlich Nummer drei.” Heißt: Nur McLaren und Red Bull sind derzeit noch besser als Mercedes. Doch die haben alle keinen Schumi.