Methusalem triumphiert
In Wimbledon schaffte Tennis-Routinier Schüttler das Comeback des Jahres. Nun klagt sich der 32-Jährige zu Olympia. Doch wer spielt nun für Deutschland Doppel?
PEKING Noch am Sonntag hatte Rainer Schüttler in der Tennis-Bundesliga gepunktet. Etwa 1000 Zuschauer bestaunten den Wimbledon-Halbfinalisten, als er mit seinem Aachener Tennisklub „Kurhaus Lambertz" die Meisterschaft in Reutlingen so gut wie perfekt machte und zweimal im Einzel sowie im Doppel gewann. Ab nächstem Wochenende ist jedoch Schluss mit der Provinz. Dann steht Schüttler auf ganz großer, olympischer Bühne - als unwahrscheinlichster aller deutschen Starter.
Gestern exakt um 10.54 Uhr erreichte den 32-jährigen „Tennis-Methusalem“ („The Guardian“) die frohe Botschaft, dass sein Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) gegen den Weltverband ITF erfolgreich war. Schüttler, so entschied die ad-hoc-Kommission des CAS, muss ein Startplatz im Olympiafeld zugewiesen werden - vor allem, weil dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) das Recht zustehe, die Teilnehmer zu nominieren, die nach seiner Ansicht die größten Erfolgschancen hätten. Schüttler war erleichtert: „Ich Freude mich tierisch, dass es noch geklappt hat. Die letzten Tage waren schon der reinste Wahnsinn mit dieser Ungewissheit." Er habe immer darauf vertraut, „dass die Gerechtigkeit siegt".
Der Funktionärs-Kleinkrieg hatte bis zur letzten Sekunde angedauert. Obwohl Schüttler nach dem Verzicht vieler Profis in der bereinigten Weltrangliste vom 2. August auf dem zur Teilnahme berechtigenden 56. Platz stand, veröffentlichte der ITF bis zum Montagmorgen diese Liste nicht. Stattdessen verbreitete die ITF nach dem Gerichtsentscheid in Peking ein wütendes Statement, in dem sie dem DOSB vorwarf, nicht zu verstehen, „wie professionelles Tennis funktioniert". Für Schüttler gebe es „keine Entschuldigung", dass er seinen höher eingestuften Landsmännern „Denis Gremelmayr und Michael Berrer einen Platz wegnehme". Allerdings hatten beide zuvor wenig Interesse an einer Nominierung bekundet, selbst dann nicht, als der Routinier am 23. Juni nachträglich als Härtefall vom DOSB nominiert worden war.
„Schlichtweg unglaublich" nannte deshalb Schüttlers Manager Dirk Hordorff dieses Statement: „Das ist einer solchen Organisation nicht würdig. Ich erwarte, dass ITF-Präsident Ricci-Bitti sich bei allen Beteiligten entschuldigt." Auch der DTB zeigte sich befremdet über die harsche Reaktion aus London: „Die ITF hat selbst versäumt, klare Absprachen und eine klare Kommunikation mit den Nationalen Olympischen Komitees zu gestalten“, sagte Sportdirektor Klaus Eberhard. Schüttler ist „bestürzt" über die ITF-Erklärung: „Ich habe gesagt, dass ich jede CAS-Entscheidung akzeptieren werde. Das sollte auch für die ITF gelten."
Ein weiteres Problem gibt es nun jedoch auch noch teamintern zu klären. Wer spielt beim olympischen Doppel? Zur Verfügung stehen Nicolas Kiefer, Philipp Kohlschreiber – und nun eben auch Schüttler. Heute will der 32-Jährige nach Peking fliegen.
Jörg Allmeroth