"Merckx ist ein Jahrtausendfahrer"
AZ: Herr Renz, am Mittwoch wird Radsport-Ikone Eddy Merckx 70 Jahre. Sie, Deutschlands Sixdays-Legende, kennen ihn ja sehr gut, sind selber oft gegen ihn gefahren.
SIGI RENZ: Ja, der Eddy ist einmalig, so einen gibt es nie wieder. Weder als Sportler noch als Menschen. Egal, wie viele Siege vielleicht andere Fahrer erringen werden, an Eddy kommen sie alle nicht ran. Er ist ein Jahrhundertfahrer, was sage ich, ein Jahrtausendfahrer. Er war ein Allrounder, konnte alles. Ob Sprint, in den Bergen, beim Stundenweltrekord, auf der Bahn: Er war immer der, den es zu schlagen galt. Wir waren immer sehr eng, haben uns einfach gemocht, haben viel miteinander geredet. Natürlich mehr auf der Bahn als bei den Straßenrennen, denn da war er immer so weit vor mir, dass man nicht zum Reden kam.
Wie ist er als Mensch? Er war ja für seinen unglaublichen Siegeswillen berühmt-berüchtigt, der ihm den Spitznamen „Kannibale“ einbrachte.
Das ist der eine Aspekt, auf der Straße. Wenn es um Siege ging, da kannte er keine Gnade. Niemals. Aber die wenigsten kennen diesen feinen Menschen, diesen Pfundskerl. Ich erinnere mich noch an ein Sechstagerennen in Antwerpen. Mein Partner hatte extreme Sitzprobleme, konnte kaum noch fahren, das war eine echte Qual. Eddy hat sich das angeschaut und am nächsten Tag kam er mit ein paar Rennhosen der besten Qualität und hat sie meinem Partner geschenkt. Einfach so. Obwohl wir ja Konkurrenten waren. Heute kann man sich das kaum noch vorstellen, mit all den Ausrüstern, aber gutes Material war damals extrem schwer zu bekommen.
Eine wunderbare Episode.
Ja, davon gibt es viele. Eddy kannte etwa einen großartigen Schuster, der aber nur für ihn arbeitete und ihm exklusiv die Rennschuhe machte. Eines Tages kam er zu mir mit einem Blatt Papier und sagte: „Stell dich drauf und mal’ mit einem Stift um die Füße.“ Einige Zeit später kam er bei einem Rennen auf mich zu mit einer Plastiktüte und sagte nur: „Das ist für dich.“ Es waren maßgefertigte Rennschuhe seines Schusters drin. Eddy ist ein Herzensmensch. Ich habe schon im Kinderzimmer seines Sohnes Alex übernachtet, als ich ein Rennen in der Nähe von Merckxs Haus besuchte. Er sagte: „Das Geld für die Übernachtung sparst du dir, du schläfst bei uns.“ Er hat mich noch abgeholt und zurückgebracht. Eddy ist ein toller Mensch, der einen besonderen Platz in meinem Herzen hat. Ich wünsche Dir hier alles Gute zum Geburtstag. Und vor allem: Bleib gesund!
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