Massas Zustand stabil - Sicherheitsdebatte in F1
Budapest (dpa) - Felipe Massa wird trotz seines Horror-Crash auf dem Hungaroring «keine bleibenden Schäden» davontragen.
Knapp 20 Stunden nach der Operation in einem Militärhospital in Budapest teilten die behandelnden Ärzte mit: «Die Computertomographie hat keine weiteren Verletzungen ergeben.» Sie hatten den Ferrari-Piloten kurz aus dem künstlichen Koma erweckt, damit dieser seine aus Sao Paulo nach Ungarn geeilte Ehefrau Rafaella und seine Eltern sehen konnte. Danach wurde Massa wieder in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt, um den Heilungsprozess nach schweren Kopfverletzungen zu verbessern.
Der fürchterliche Aufprall Massas nur sechs Tage nach dem tödlichen Unfall des Nachwuchspiloten Henry Surtees hat eine neue Sicherheitsdebatte in der Formel 1 ausgelöst. «Das ist jetzt schon die zweite Botschaft, die wir erhalten. Auch Imola 1994 war eine Botschaft, nach der wir die Autos verbessert haben. Jetzt hat es leider einem Jungen das Leben gekostet», sagte Rubens Barrichello, an dessen Brawn-GP eine Feder abgebrochen war, die Massa so verhängnisvoll getroffen hatte. «Dass diese Dinge jetzt passieren, ist kein Zufall. Es muss etwas unternommen werden.» Brawn-Teamchef Ross Brawn erklärte vor dem Großen Preis von Ungarn: «Wir müssen untersuchen, was vergangenes Wochenende und jetzt hier passiert ist, und es genau verstehen. Theoretisch gibt es die Möglichkeit von Schutzscheiben.»
«Es gab keine weitere Komplikationen in der Nacht», hatte Ferrari am Sonntagvormittag erleichtert Entwarnung gegeben. Nach ärztlichen Angaben hatte sich der 28 Jahre alte Brasilianer zunächst in einer lebensbedrohlichen Situation befunden. Nach dem Eingriff sei sein Zustand stabil gewesen. Ferrari hatte indes entschieden zurückgewiesen, dass sein Fahrer in Lebensgefahr geschwebt sei.
Massas persönlicher Arzt Dino Altmann, der auch Streckenarzt in Sao Paulo ist, hatte ebenfalls Entwarnung gegeben. Er sagte der brasilianischen Zeitung «O Estado», Massas Wert auf einer Skala zur Einschätzung der Schwere eines Schädel-Hirn-Traumas zwischen 3 und 15 liege bei 14. «Das ist ein gutes Zeichen», urteilte Altmann, der zunächst von Sao Paulo aus in ständiger Verbindung mit den behandelnden Ärzten gestanden hatte. «Alle Anzeichen, die wir haben, sind positiv.»
Altmann, Massas im fünften Monat schwangerer Frau Rafaella und dessen Eltern waren nach einem Nachtflug am späten Vormittag in Budapest im Krankenhaus angekommen. «Es ist für einen Vater, eine Mutter und eine Ehefrau hart, hier zu sein und Informationen nur per Telefon zu erhalten», hatte Felipes Vater Luiz Antonio vor dem Abflug dem brasilianischen Fernsehsender APTN gesagt..
Massa hatte unter anderem einen Schädelbasisbruch, weitere schwere Kopfverletzungen, einen blutenden Schnitt über dem linken Auge und eine Gehirnerschütterung erlitten. Ärzte des AEK- Krankenhauses hatten nach dem medizinischen Eingriff mitgeteilt: «Massa ist in einer stabilen, zufriedenstellenden Situation.»
Eine etwa 800 Gramm schwere Stahlfeder war Ursache des schweren Unfalls, den Massa nur mit viel Glück überlebt hatte. Das Teil hatte ihn im zweiten Qualifikations-Durchgang bei einer Geschwindigkeit von 240 Stundenkilometern getroffen. Ferrari-Sprecher Luca Colajanni erklärte in einer ersten Stellungnahme: «Daraufhin hat er die Kontrolle übers Auto verloren.» Offensichtlich stark benommen oder gar bewusstlos, drückte der Pilot gleichzeitig das Brems- und das Gaspedal und prallte laut Teamchef Stefano Domenicali mit etwa 190 km/h frontal in eine Reifenbarriere.
Die wie ein Geschoss wirkende Feder beschädigte Massas Helm auf etwa fünf Zentimeter Länge und riss das Visier an der Seite ab. Letztendlich rettete der Kopfschutz ihm das Leben. Nach Ayrton Sennas tödlichem Unfall am 1. Mai 1994 in Imola - einen Tag zuvor war der Österreicher Roland Ratzenberger in der Qualifikation gestorben - hatte der Internationale Automobil-Verband FIA auf sicherere Helme gedrängt. Deren Widerstandsfähigkeit wurde seit diesen letzten tödlichen Fahrerunfällen in der Formel 1 verdoppelt. Massa trägt, wie viele Kollegen, einen 1,4 Kilogramm schweren Kopfschutz aus Karbonschichten.
«Auf jeden Fall ist die Arbeit, die im Bereich der Helme geleistet wurde, sehr wertvoll, wie man heute gesehen hat. Die Helme wurden in den vergangenen Jahren enorm verbessert», sagte Ross Brawn. «Wir müssen uns bei den Leuten bedanken, die das veranlasst haben.»
Schwachpunkt der etwa 730 PS starken, auf Hochgeschwindigkeits- Strecken wie Monza bis zu 350 km/h schnellen Boliden ist das Cockpit. Zwar wurden auch hier die Seitenwände höher gezogen, um den Piloten mehr Schutz zu gewähren, aber Formel-Rennwagen sind prinzipiell ohne Dach. Forderungen, eine Panzerglaskuppel oder etwas Ähnliches einzusetzen, bezeichnete der Brawn-Teamchef als «nicht so einfach». Eine solche Konstruktion könne bei einem schweren Unfall auf den Fahrer brechen und schlimme Folgen haben.
Barrichello betonte trotz aller Kritik, dass die Rennwagen wesentlich sicherer als früher seien. Bezogen auf einen schweren, letztendlich aber folgenlosen Unfall zwischen Alexander Wurz und David Coulthard 2007 in Melbourne sagte er aber: «Wir müssen uns Gedanken machen. Die Sicht wird immer schlechter. Wir sitzen so tief im Auto, dass teilweise nicht einmal die Mechaniker sehen, ob ich es bin oder Jenson. Aber der Schutz ist dadurch deutlich besser.»
FIA-Rennleiter Charlie Whiting bezeichnete den Unfall als Ausnahme. «Wenn man dieses Szenario nachstellen wollte, würde man es wahrscheinlich in fünf Millionen Versuchen nicht schaffen, so etwas hinzukriegen», sagte er der Online-Ausgabe von «auto, motor und sport».
Indes drückten Fahrer, Teamchefs und andere Formel-1-Vertreter ihr großes Bedauern über den schweren Unfall aus. Die Ferrari- Verantwortlichen und Formel-1-Chef Bernie Ecclestone besuchten Massa im Krankenhaus. Auch Schumacher machte sich Sorgen über den gesundheitlichen Zustand Massas. Er erklärte auf seiner Internetseite: «Ich war natürlich gestern erst mal genauso geschockt wie alle anderen im Team auch, als ich die Bilder sah, und habe mich sofort und wiederholt nach Felipes Zustand erkundigt. Jetzt bleibt mir nur zu sagen: Gute Besserung, Felipe!»
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