„Martin ist ein Killertyp“

Dieter Thoma, der vielleicht härteste Kritiker der deutschen Skispringer, sieht einen Aufschwung kommen – für Martin Schmitt, der in den letzten Jahren seiner Form hinterherflog, und mit Trainer Schuster.
von  Abendzeitung
Von Dieter Thoma längst noch nicht abgeschrieben: Martin Schmitt.
Von Dieter Thoma längst noch nicht abgeschrieben: Martin Schmitt. © dpa

Dieter Thoma, der vielleicht härteste Kritiker der deutschen Skispringer, sieht einen Aufschwung kommen – für Martin Schmitt, der in den letzten Jahren seiner Form hinterherflog, und mit Trainer Schuster.

AZ: Herr Thoma, in den letzten Jahren waren Sie einer der größten Kritiker des Skisprung-Bundestrainers Peter Rohwein. Können Sie mit seinem Nachfolger Werner Schuster gut leben?

DIETER THOMA: Absolut. Das ist einer, wie man ihn sich schon immer gewünscht hat. Einer, der sehr gut ausgebildet ist, auch Psychologie, Physiologie und Pädagogik studiert hat, einer der weiß, wie man mit Menschen umgeht. Martin Schmitt hat auch ganz begeistert erzählt, dass der Werner die Sportler nie im Ungewissen lässt, sondern ihnen Antworten gibt. Ich glaube, bei ihm fühlen sich die Springer geborgen.

Das war bei seinem Vorgänger Rohwein nicht so.

Ich will keine Vergleiche ziehen. Ich kann nur beobachten, was sich verbessert hat.

Was denn?

Die Kommunikation und die Absprachen zwischen den Trainern untereinander und den Sportlern sind wesentlich besser, die Springer wirken frei im Kopf. Denn es ist doch der Kopf, der den Körper lenkt. Der Kopf entscheidet, was der Körper tut. Werner Schuster und seine neuen Co-Trainer Schilli und Winkler gehen einfach total positiv und offen an das Team und ihre Aufgabe ran.

Er sprach ja auch in den letzten Wochen vor allem viel davon, wie er versuchte, das Selbstwertgefühl zu steigern.

Das ist ihm doch schon gelungen. Schon an seinem ersten Arbeitstag hat er gesagt, dass für ihn der neue Job etwas Geniales ist, weil das deutsche Team der FC Bayern des Skispringens ist. Das ist psychologisch doch auch für die Sportler wichtig, dass sie sehen, da kommt einer, der sagt: „Juchhu, eine Super-Aufgabe.“ Einer, der gerne mit ihnen arbeitet, das motiviert. Das ist viel besser, als wenn einer da wäre, der es dann halt deswegen macht, weil sie sonst keinen anderen finden. Werner ist einer, der den Leuten sagt, was für ein großes Potenzial sie haben.

Aber werden sie das jetzt diesen Winter auch umsetzen?

Warten wir es ab. Seriensiege können wir eventuell noch nicht erwarten. Aber der zweite Platz im Sommer im Nationencup war schon ein erster Fingerzeig. Jammerschade, dass Schorschi Späth mit seinem Kreuzbandriss den ganzen Winter ausfällt. Bis zur Verletzung war er im Sommer der Beste, aber trotzdem. Er wird sicher wieder zurückkehren, und das ist auch ein großer Verdienst von Werner Schuster. Ansonsten hätte der Schorsch vermutlich die Karriere beendet, weil er eventuell keine Perspektive mehr gesehen hätte.

Sonderbar, dass erst ein Österreicher wie Werner Schuster kommen musste, um ihm die Sicherheit wieder zu geben.

Aber genau das ist ja der große Vorteil, dass der Werner von außen kommt. Er ist unverbraucht, der ist nicht in diesem System groß geworden, wo es in den letzten Jahren teilweise Unstimmigkeiten, Missgunst und auch Streit gab.

Und vor allem viel Misserfolg, vor allem bei Martin Schmitt.

Den Martin kann ich nur bewundern. Viele haben gesagt, er springt nur noch wegen seines Sponsorenvertrages, aber das ist Quatsch. Er ist ein Kämpfer, und dass er es kann, hat er mit seinen 28 Weltcup-Siegen ja gezeigt.

Nur ist der letzte schon fast sieben Jahre her.

Viele hätten da bei so einer schier endlosen Tortur hingeschmissen, vielen wäre diese Quälerei zu viel geworden. Aber der Martin ist da zäh. Und wenn er Lunte riecht und sieht, dass ihm nicht mehr sieben oder acht Meter auf die Besten fehlen, sondern nur noch zwei oder drei, dann traue ich ihm alles zu. Der Martin ist ein Killertyp. Ich weiß aber auch nicht, ob er auch ohne seine Patricia noch dabei wäre.

Sie sprechen von seiner Lebensgefährtin?

Ja. Die ist wirklich genial, sie hat ihm unglaublich geholfen. Das war ja nicht eine, die sich in seinem Ruhm sonnen wollte, nur weil er berühmt und erfolgreich war. Nein, sie hat ihn ja kennengelernt, als es stark bergab ging. Sie hat mitgefiebert, mitgearbeitet, sie ist ihm immer zur Seite gestanden und hat ihm Halt gegeben. Oft sagt man ja, Mädels seien schlecht für die Spitzensportler. Bei der Patricia ist das nicht der Fall.

Sie wird bei vielen Springen dabei sein, so wie auch Sie als TV-Experte. Denken Sie, dass Ihnen jemals wieder so viele Menschen zuschauen werden wie einst zu den Boomzeiten von Sven Hannawald?

Ein guter Grundstock ist ja da, im Schnitt über drei Millionen Zuschauer – obwohl die Erfolge eher selten waren. Und mir wäre es lieber, wir könnten solche Zahlen etwas steigern, als einmal 13 Millionen und dann gar nichts mehr. Und wenn zum Beispiel Martin Schmitt, Michael Uhrmann oder ein Junger wie Felix Schoft eventuell doch wieder um den Sieg mitspringen, dann wird es auch bei den Quoten nach oben gehen. Denn das weckt das Interesse, da will man wieder dabei sein. Bei Martin wäre das eines der größten Comebacks in der Sportgeschichte.

Interview: Florian Kinast

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.