Interview

Markus Wasmeier im Interview: "Viele haben sie belächelt, aber Lena Dürr ist sensationell"

Lena Dürr ist eine der deutschen Medaillenhoffnungen der Alpinen in Peking. In der AZ spricht Ski-Legende Markus Wasmeier über die Germeringerin, die Chancen von Linus Straßer - und gewandelte Olympische Spiele.
Thomas Becker |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
"Sie hat sich schon entwickelt, fährt nun mit einem komplett anderen Engagement: spritzig, beweglich. Das ist eine ganz andere Körpersprache", sagt Ski-Ikone Markus Wasmeier über Lena Dürr.
"Sie hat sich schon entwickelt, fährt nun mit einem komplett anderen Engagement: spritzig, beweglich. Das ist eine ganz andere Körpersprache", sagt Ski-Ikone Markus Wasmeier über Lena Dürr. © picture alliance/dpa/APA

München - AZ-Interview mit Markus Wasmeier: Die deutsche Ski-Legende (58) war Weltmeister im Riesenslalom 1985 und holte bei den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer zwei Mal Gold (Super-G und Riesenslalom).

AZ: Herr Wasmeier, Olympia steht vor der Tür - Zeit für einen Formcheck der deutschen Alpin-Abteilung. Ladies first: Wie erleben Sie die bislang so formidable Saison von Lena Dürr, die ja eher im Herbst ihrer Karriere angekommen ist?
MARKUS WASMEIER: Das ist sensationell! Viele haben sie in den vergangenen Jahren sicher belächelt und gedacht, dass das ja eh nichts mehr wird. Aber sie hat den Glauben nie verloren. Ich habe diese Aufs und Abs ja mitbekommen: Als sie aus dem Kader geflogen ist und bei der World Racing Academy (einem internationalen Privat-Team, d. Red.), in dem auch mein Sohn drin war, trainiert hat, oft mit den Burschen. Ich glaube, das hat ihr richtig gutgetan, mal eine andere Umgebung - und jetzt ist sie wieder in der Spur. So wie sie es ja schon mal war.

Wasmeier: "Besser wäre, wenn die Trainer den Athleten mehr Vertrauen geben" 

Skifahren verlernt man nicht.
Sie hat sich schon entwickelt, fährt nun mit einem komplett anderen Engagement: spritzig, beweglich. Das ist eine ganz andere Körpersprache: Sie will! Und das Wollen ist schon mal das Allerwichtigste.

Markus Wasmeier.
Markus Wasmeier. © picture alliance/dpa

Dass so eine erzieherische Maßnahme wie die Streichung des Kader-Status dann doch greift!
Das Schlimme ist ja, dass der Verband dann sagt: "Das hat sie gebraucht!" In Wahrheit ist das ein Armutszeugnis: Besser wäre, wenn die Trainer den Athleten mehr Vertrauen geben und auch andere Trainingsbereiche zulassen würden: "Fahr halt mal bei den Männern mit!" Ist doch irre, was die sich da abschauen können! Wir reden da nicht von 20 Mädels, sondern vielleicht zweien.

Neben Dürr hat sich die junge Emma Aicher an die vorderen Regionen herangetastet. Was trauen Sie ihr zu?
Das Mädel ist der Wahnsinn! Ich kenne sie nicht persönlich, weiß aber, dass sie während der Pandemie bei ihrer Mannschaftskameradin Leni Schmotz gewohnt hat, um kurze Wege zu haben. Und Lenis Schwester Micha, eine ehemalige Rennläuferin, hat die Emma trainiert. Es macht richtig Freude, ihr zuzuschauen: grundsolide, moderne Technik, echt klasse.

Wasmeier: "Ich war ja früher auch irgendwo immer Einzelkämpfer"

Dahinter wird es bei den Frauen in den technischen Disziplinen dann aber übersichtlich.
Ja, das ist schade, dass die anderen wie zum Beispiel Jessica Hilzinger nicht auf die Beine kommen. Da muss man sich schon fragen, was da los ist. Allein an den Athleten liegt das sicher nicht.

Auch im Speed-Bereich ist Vize-Weltmeisterin Kira Weidle seit Jahren vollkommen allein auf weiter Flur...
Ich war ja früher auch irgendwo immer Einzelkämpfer, weil ich alle Disziplinen gefahren bin. Kira hat dieses Einzelkämpfertum anscheinend nun auf die Reihe gebracht, hat dieses Vertrauen bekommen. Sie hat geschrieben, dass sie viele Gespräche hatte, weil sie ausschließlich Kopfprobleme hatte, was einen nicht mehr frei Skifahren lässt. Jetzt fühlt sie sich freier - ich hoffe, das bleibt ihr so. Das ist die große Herausforderung aller Athleten, die jetzt zu Olympia fahren: Dass sie sich von den ganzen Umständen nicht aus ihrer Freude herausreißen lassen und zu jammern anfangen.

Wasmeier: "Publikumsmäßig wird das wie in Nagano" 

Umstände, wie sie nun in Peking drohen, gab es noch nie.
Im Kleinen gibt's das immer. Darum ist Olympia immer eine eigene Geschichte.

Sie haben als Aktiver mit Calgary, Albertville und Lillehammer mehr oder minder klassische Olympia-Orte erlebt.
Ich war ja nach der Karriere noch 20 Jahre mit der ARD bei zig weiteren Olympischen Spielen und hab' da auch die Kamerafahrten gemacht. Calgary und Albertville waren auch kompliziert, Lillehammer dagegen einzigartig. So was hatte es vorher noch nie gegeben und danach schon gleich gar nicht mehr. Nach Nagano 1998 kam der 11. September, und dann war's vorbei. Das hat die ganze Gesellschaft verändert. Vancouver 2010 war danach emotional vielleicht noch am schönsten. Und China? Man weiß, dass da wie in Sotschi nur die Braven hindürfen, die Ausgesuchten. Publikumsmäßig wird das wie in Nagano, wo Schilder hochgehalten wurden, wenn geklatscht werden sollte. Aber das wird für die Athleten das geringste Problem sein.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Wasmeier über Straßer: "Er hat eine geniale Körpersprache" 

Die werden gute Bücher mitnehmen müssen, da sie viel Zeit allein verbringen werden.
Das auch. Und du musst gleich mit der Einstellung hingehen, dass es einfach nicht normal abläuft. Nicht ärgern, nur wundern. Einfach akzeptieren. Keine Energie verschwenden.

Kommen wir zum Männer-Team: fünf qualifizierte Speed-Fahrer, aber zuletzt mäßige Weltcup-Ergebnisse.
Irgendwie ist der Faden weg, keine Ahnung warum. Dagegen der Slalom: Was der Schmid Alex da in Wengen gezeigt hat: mit Startnummer 67 auf Platz 14 - Respekt, richtig gut!

Auch Linus Straßer scheint noch rechtzeitig wieder ins Rollen zu kommen...
Er ist definitiv schnell, beweglich, hat eine geniale Körpersprache. Aber der Slalom ist schon brutal, weil du so schnell eingefädelt hast - da lobe ich mir die schnellen Disziplinen.

Und da trumpft einer groß auf: der Schweizer Marco Odermatt.
Der fährt das ganz unkompliziert: "Ich schau halt einfach, was passiert." Ein genialer Skifahrer, der hat Mut und diese Frechheit, alle zu ärgern. Das ist generell eine gute Generation. Da kommt richtig was nach.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.