Marie Langs Henry-Maske-Effekt im letzten Kampf

Die Kickbox-Queen verliert den letzten Fight ihrer großen Karriere, doch sie verspürt "Erleichterung. Ich bin mit mir im Reinen".
Matthias Kerber
Matthias Kerber
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der leere Blick und das dicke Veilchen sagen alles: Ausgerechnet den letzten Kampf ihrer großen Karriere hat Marie Lang verloren.
Der leere Blick und das dicke Veilchen sagen alles: Ausgerechnet den letzten Kampf ihrer großen Karriere hat Marie Lang verloren. © IMAGO/Stefan Bösl

München - Spät in der Nacht, da kamen sie dann doch noch: die Tränen. Tränen des Abschieds, Tränen der Trauer, Tränen der Enttäuschung, Tränen der Erleichterung.

"Irgendwann konnte ich sie dann nicht mehr zurückhalten", sagte Münchens Kickbox-Queen Marie Lang, die am Freitag im Circus Krone den 40. und allerletzten Kampf ihrer so illustren Karriere bestritten hat. Eine Karriere, die sie nun mit ihrer zweiten Niederlage beendet. Sich selbst hatte sie vor dem Kampf ja schon als "echte Heulsuse" bezeichnet.

Der Henry-Maske-Effekt

"Klar, habe ich mir das Ende anders vorgestellt, ich wollte nicht als Verliererin abtreten", sagte die 35-Jährige der AZ nach der Punktniederlage gegen die Belgierin Kelly Danioko, die ihr das Happy-End vermasselte. Der Henry-Maske-Effekt. Wer sein Karriereende lang vorher ankündigt – wie Maske damals 1996 vor seinem Kampf in der Münchner Olympiahalle gegen den Amerikaner Virgil Hill –, der steigt auch leicht mal als Verlierer aus dem Ring.

"Vielleicht hätte ich erst den Kampf bestreiten und dann meinen Abschied verkünden sollen", sagte Lang, "der Druck war so natürlich noch mal viel größer. Aber ich wollte es so. Ich würde jetzt gleich nach dem Kampf gefragt, ob ich nicht doch ein Rematch bestreiten will: Ich habe nur gesagt: 'Auf keinen Fall!' Man soll zwar nie Nie sagen, aber ganz grundsätzlich finde ich Comebacks doof. Für mich ist es der richtige Moment aufzuhören. Ich merke auch, dass mich die Niederlage jetzt nicht so beschäftigt, wie meine allererste. Ich glaube, ich habe sogar danach im Ring immer noch gelächelt. Das Gefühl, dass bei mir jetzt vorherrscht, ist Erleichterung, nicht Trauer."

Lang: "Ich bin mit mir im Reinen"

So heißt es eben Schuss! Aus! Ende! Rien ne va plus – nix geht mehr. Gar nix mehr. "Ich hatte eine tolle Karriere, habe mehr erlebt, erreicht und gesehen, als ich mir je erträumt habe, daran ändern auch die Niederlagen nichts. Das macht nicht das kaputt, was ich geschafft habe. Ich bin mit mir im Reinen", sagte Lang: "Natürlich hätte ich gerne den 45 Leuten, die zu meinem letzten Kampf aus der Heimat angereist waren, die teilweise noch nie einen Fight von mir live erlebt haben, einen Sieg geschenkt. Aber die waren trotzdem alle gut drauf, meinten: Wir feiern jetzt deine Karriere, vergessen den Kampf."

Ein Kampf, in den Lang nie richtig reingekommen ist. Die Weltmeisterin verschlief den Start, was sie oft tut, konnte, dieses Mal aber auch später nicht mehr aufdrehen. "Es war nicht mein Tag, es ging alles schief. Ich konnte nicht umsetzen, was wir trainiert haben. Ich habe auch viele Schläge auf den Hinterkopf bekommen, die mich irritiert haben. Ich habe durch zwei Kopfstöße ein fettes Veilchen und das Auge ist fast zugeschwollen. Mein Oberteil rutschte dauernd, ich musste schauen, dass ich nicht den Playboy-Moment im Ring habe", sagte Lang: "Aber meine Gegnerin war besser, sie hat verdient gewonnen. Ich nehme einen Kampf oft anders wahr als die Zuschauer, weil ich die Tritte und Schläge, die ich bekommen anders spüre, als ich meine eigene Treffer merke, aber das Urteil war fair. Das Letzte was, ich gewollt hätte, wäre, dass man mir einen Sieg zum Abschied schenkt, den ich nicht verdient habe. Mit der Niederlage kann ich besser leben als mit einem geschenkten, unverdienten Sieg."

Jetzt wird Lang erstmal den Kopf durchlüften, die Wunden heilen und die Seele baumeln lassen. Es geht in den Urlaub nach Sansibar. "Ich will Abstand im Kopf, aber auch der Seele und im Herzen. Ich muss auch emotional den Abstand finden und kriegen. Ich freue mich darauf, Bücher zu lesen. Ich gehöre zu denen, die dann im Urlaub Bücher regelrecht verschlingen."

Kommt nun ein Buch?

Vielleicht wird Lang in Zukunft selber auch Bücher schreiben, nicht nur lesen. "Schriftsteller, das war eigentlich immer mein großer Traum, in jedem meiner Poesiealben steht als Berufswunsch Schriftstellerin, das hat sich erst später zu Modedesignerin gewandelt. Aber ich schreibe unglaublich gerne und würde das auch jetzt mal ausprobieren. Ich weiß aber noch nicht so genau, wo es hingehen soll. Ob es in Richtung Motivation geht oder Roman, was auch immer. Aber ich will dann auf jeden Fall selber schreiben und nicht irgendeinen Ghostwriter haben. Wo Marie Lang drauf steht, soll auch Marie Lang drin sein", sagte die Autorin in spe:

"Kickboxen hat mich erfüllt, Modedesign hat mich erfüllt. Ich werde etwas finden, was mich auch in Zukunft erfüllen wird." Die Krone der Kickbox-Queen hat Lang abgelegt (und ablegen müssen), jetzt beschreitet sie den Weg zur neuen Erfüllung.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.