Marie Lang: "Es sind viele Tränen geflossen"

München - AZ-Interview mit Marie Lang: Die 35-jährige Münchnerin dominiert die Kickbox-Szene seit Jahren. Von ihren 38 Kämpfen hat die Weltmeisterin nur einen verloren. im Sommer wird sie nun ihre Karriere beenden.
AZ: Frau Lang, nun steht fest: Sie, die Kickbox-Queen, werden das Ringgeviert verlassen und sich im Sommer aufs Sportrentner-Dasein zurückziehen - nur noch zwei Kämpfe, dann ist Schluss.
MARIE LANG: Ja, das ist richtig. Es ist eine Entscheidung, die mir wirklich nicht leicht gefallen ist, die auch einige Zeit gebraucht hat, um in mir endgültig zu reifen. Ich habe es mir sicher nicht leicht gemacht, und es sind auch viele Tränen in dem Prozess geflossen. All die Nachrichten der Menschen, die ich jetzt dazu bekommen habe, haben mich auch sehr bewegt. Es ist für mich ein sehr tränenreicher Abschied, keine Frage.
Marie Lang wollte eigentlich schon 2019 aufhören
Was war denn für Sie ausschlaggebend, jetzt diesen Schritt zu gehen?
Es hört sich vielleicht blöd an, aber ich will einfach nicht mehr. Ich will nicht mehr dauernd kämpfen, ich will nicht mehr diesen alltäglichen Druck haben, die Allerbeste sein zu müssen - und das auch immer und immer wieder beweisen müssen. Ich will nicht mehr jeden Tag um sieben Uhr in der Früh in der Trainingshalle stehen müssen, um mich zu quälen. Dieser Druck, der von außen kommt, den man sich aber mindestens so sehr selber macht, der zehrt an einem. Wenn man ein Training mal so richtig verkackt, dann ist es eben nicht so, dass ich da sofort abgeschaltet habe und mir gesagt habe, "Morgen wird es besser", sondern das hing mir schon auch den Tag lang nach. Es wird sicher auch eine innere Befreiung, diesen speziellen Druck nicht mehr zu haben. Bleibt nur die Frage: Was mache ich dann in Zukunft um sieben Uhr in der Früh? (lacht)
Wie lange denken Sie tatsächlich schon über einen Rücktritt nach?
Eigentlich wollte ich sogar schon 2019 aufhören. Aber dann kam Corona und hat alles verändert. Ich wollte auf jeden Fall einen echten, schönen Abschiedskampf mit Zuschauern, das ging aber mit Corona nicht. Ich wollte auf keinen Fall sagen: Schluss, das war es und Tschüss und dann den Hape Kerkeling zu machen und zu sagen: "Ich bin dann mal weg". Also dachte ich: Dann eben 2020, doch Corona war immer noch da. Dann eben 2021, immer noch Corona. Jetzt wird es eben 2022. Und das ist gut so. Ich kämpfe noch am 26. Februar, und dann folgt im Sommer mein Abschiedsfight. Der wird übrigens auch in München stattfinden.
Marie Lang will dem Kickboxen erhalten bleiben
Wie sehen Ihre Pläne für das Leben nach dem Sportleben aus?
Es gibt noch nichts Konkretes. Ich bin ja diplomierte Modedesignerin, vielleicht mache ich da was, aber dem Sport will ich auch in irgendeiner Art erhalten bleiben. Und Medien interessieren mich auch sehr. Vielleicht wird es von allem ein bisschen. Aber ich bin da noch sehr offen und unentschlossen. Ich will jetzt erstmal meine Karriere mit diesen beiden Kämpfen gut zu Ende bringen, dann sehe ich weiter. Aber ich freue mich auf dieses neue Kapitel. Die Entscheidung, jetzt dann die Boxhandschuhe an den Nagel zu hängen, habe ich freiwillig getroffen. Mich zwingt keine Verletzung oder was auch immer das zu tun. Ich weiß, dass es jetzt das Richtige ist, weil ich jetzt so nicht mehr mag.
Für das Kickboxen auch ein schwerer Schlag. Der Sport verliert mit Ihnen dann sein hübsches Gesicht.
Ich hatte das Glück, dass ich ein Teil der goldenen Zeit des Kickboxens war. Es wird in Zukunft für Kampfsport sicher nicht ganz einfach, sich weiter in der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Das ist ja im Boxen leider nicht anders: Der Sport ist in Deutschland im Fernsehen kaum noch existent, Kämpfe sieht man fast nur noch im Pay-TV. Ich bin gespannt, wie es da weiter geht.
Lang nach Karriereende: Bloß kein neuer Druck!
Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an die Karriere, die Sie, als Sie vor fast 20 Jahren in Lemgo angefangen haben, sicher nicht für möglich gehalten hätten?
Einfach, dass ein Normalo wie ich solche Sportgrößen wie Leon Goretzka treffen durfte, dass sich mir eine Welt eröffnet hat, die ich unter normalen Umständen nie kennengelernt hätte. Auch, dass einem im Ring die Leute zujubeln, war für mich lange, lange Zeit unvorstellbar. Ich habe dank des Sports mehr erlebt und gesehen, als ich mir je erträumt habe. Es klingt zwar immer blöd und aufgesetzt, aber ich bin für all das sehr dankbar.
Und die jetzigen Träume? Familie, Kind, Haus?
Mit weißem Gartenzaun bitte (lacht). Klar sind das alles Träume, die ich habe. Ich möchte sicher eine Familie gründen, aber es ist nicht so, dass ich dann am 1. Juli sage: Jetzt muss es passieren - und zwar sofort.
Bloß kein neuer Druck.
(lacht) Das stimmt.