Maria Riesch: Das Stehaufmadl

Mit drei Jahren lernt sie das Skifahren. Mit 6 holt sie ihre ersten Pokale und Medaillen. Mit 20 und 21 reißt sie sich die Kreuzbänder. Doch sie kämpft sich zurück. Ihr Sieg vom Wochenende ist der Lohn dafür, dass sie sich nicht verbiegen lässt.
von  Abendzeitung
Mit 3 lernte Maria Riesch Skifahren.  Jetzt, mit 24, ist sie Weltmeisterin.
Mit 3 lernte Maria Riesch Skifahren. Jetzt, mit 24, ist sie Weltmeisterin. © dpa

MÜNCHEN - Mit drei Jahren lernt sie das Skifahren. Mit 6 holt sie ihre ersten Pokale und Medaillen. Mit 20 und 21 reißt sie sich die Kreuzbänder. Doch sie kämpft sich zurück. Ihr Sieg vom Wochenende ist der Lohn dafür, dass sie sich nicht verbiegen lässt.

An Weihnachten, Ostern und auch sonst bei Freude Ereignissen, da packt der Michi Maurer gerne seine Ziach aus, das diatonische Akkordeon. Dass der Präsident vom Skiclub Partenkirchen auch am Samstag musizierte, war selbstredend. Denn das war ein ganz besonders großer Festtag. Weil Vereinsmitglied Maria Riesch Weltmeisterin wurde, beim Slalom in Val d’Isère. „Wia des Madl des gschafft hat“, sagt Maurer, „des is scho da Wahnsinn. Wo doch der Druck so groß gwesen ist.“ Aber gerade dann war die Maria ja schon immer stark. Sagen sie in Garmisch und Partenkirchen. Bei der Spurensuche in der Heimat.

Der Charly Leitner etwa. Er ist 53 und TV-Reporter, in Österreich kommentierte er am Freitag ein Eishockeyspiel in Villach, und weil er am Samstag am Rückweg auf der Tauernautobahn 35 Kilometer im Stau stand, hörte er nur im Radio vom Triumph der Riesch, der er vor 21 Jahren das Skifahren beibrachte.

Drei war die kleine Maria, als sie ihm die Mama, die schon bei ihm in der Skigymnastik war, vorbeibrachte. „Ich war erst skeptisch“, sagt Leitner, „wenn die Kinder in dem Alter keinen Spaß am Skifahren haben, dann stellen sie sich nie wieder drauf.“

"Die wollte immer nur den Berg runterbrettern"

Doch da war bei Riesch keine Gefahr, sagt er. „Die wollte immer nur den Berg runterbrettern. Ein richtiges Rennpferd. Angst hat die Maria nie gekannt. Und nervös war die auch nie.“ genauso wenig wie am Samstag, als nach vielen Enttäuschungen bei der WM im letzten Rennen die Erwartung auf eine Medaille am größten war.

Erste Medaillen und Pokale holte sie schon, als sie sechs war. Als der Spagat begann zwischen Schule und Piste, zwischen dem Büffeln und dem Brettern. Drei-, viermal unter der Woche Training, jeweils drei Stunden. Gleich nach der Schule, als Mittagessen eine Suppe aus der Thermoskanne im Auto der Eltern, und dann nach fünf, wenn die Lifte zumachten, das Öffnen der Bücher für die Hausaufgaben daheim. Das war bald Alltag, Klagen gab es laut Leitner nie. „Nur das Konditionstraining, die Trockenübungen, das mochte die Maria nie.“ Nötige Pflichteinheiten, die Riesch lästig waren, bis vor ganz kurzer Zeit. Schließlich war es erst im Winter vor einem Jahr, als sie mächtig Kritik einstecken musste wegen zu wenig Grundlagentraining.

Den Rüffel gab es damals von Wolfgang Maier, heute Alpinchef beim DSV. Früher trainierte er das Frauen-Team und gab Maria Riesch auch ein zweites Zuhause, weit weg von ihrer Heimat im Werdenfels. Bei ihm in Berchtesgaden wohnte die Maria nämlich, als sie dort aufs Christopherus-Gymnasium ging, der Sportförderschule. Und bevor sie da 2003 mit 3,0 ihr Abi machte, startete sie auch schon einmal beim Weltcup. Als Vorläuferin am Götschen im Januar 2000.

"Die Maria verbiegt sich nicht"

Wolfi Hostmann, heute Vorstand vom „1. Maria-Riesch-Fanclub“ war damals in Berchtesgaden Stadionsprecher, und erinnert sich noch an den Auftritt der 15-jährigen Maria. „Als sie bei der Vorstellung der Vorläufer ihren Namen hörte“, erzählt er, „war ihr das ganz unangenehm.“ Die war da noch richtig schüchtern und peinlich berührt.

Das hingegen ist ein großer Unterschied zu heute. Längst ist Maria Riesch in ihrem Auftreten selbstsicher, professionell. Auch nach bitteren Niederlagen stellt sie sich den Medien, erzählt von ihrem Gefühlsleben, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.

Natürlich achtet Riesch stets darauf, dass das Stirnband mit dem lila Logo ihres Sponsors gut im Bild ist, schließlich zahlt der Schokofabrikant süßes Geld, die Schätzungen bei allen Sponsoreneinnahmen zusammen gehen in den Millionenbereich. Sich aber Reportern anzubiedern, sich gemein zu machen und auf geheuchelten Schmusekurs zu gehen, das ist Riesch fremd. „Die Maria verbiegt sich nicht“, sagt Charly Leitner, „sie ist so, wie ist sie ist. Bei ihr weiß man immer, wie man dran ist.“ Grundehrlich, gradraus, diese Worte hört man oft, wenn die Menschen über Maria Riesch reden, in ihrer Heimat, wo sie seit der Trennung von Freund Marco im letzten Sommer in ihrem Single-Haushalt mit 70-Quadratmetern, lebt.

2005 wohnte sie noch bei den Eltern, in jener Zeit, als sie sich zweimal die Kreuzbänder riss. Schwere Monate, in denen Riesch nicht verzweifelte, im Gegenteil. „So schmerzhaft die Zeit war“, sagt Leitner, „da hat sie richtig gelernt, sich aus der Krise herauszukämpfen.“

Riesch selbst nannte sich damals „das Stehaufmadl“, aber das nicht alleine, beim Aufstehen halfen ihr vor allem die Eltern Monika und Siegfried Riesch, die am Samstag mit in Val d’Isère mitfeierten – bis in den frühen Sonntagmorgen.

Der Titel wird sie nicht verändern, sagt ihr Vater

Am Telefon klang Vater Riesch auch noch etwas müde, als er sich Sonntagfrüh mit der Frau gerade ins Auto gesetzt hatte, um die 700 Kilometer aus Savoyen heim nach Garmisch zu fahren. „Das war ein unvergessliches Wochenende“, sagte er, „aber die Maria wird das im richtigen Leben gut einordnen können. Das ist ein Riesenerfolg, aber nichts, was sie als Mensch verändern wird. Sie weiß, auf was es wirklich ankommt.“

Dass das Leben manchmal schwieriger ist als der steilste Slalomhang, das spürte sie, als 2006 innerhalb weniger Monate der Opa und zwei Onkel, beides Brüder der Mama, starben. Einer war 55, der andere erst 43. „Diese Zeiten haben sie stark geprägt“, sagt der Vater, der mit seiner Monika Verpackungsmaterial vertreibt, Folien, Beutel, Tragetaschen.

Ihr Büro haben die Rieschs in Sichtweite des Slalomhangs, gleich über dem Radlladen, der mittlerweile als Vereinslokal des Fanclubs dient. Dort schaute auch der Michi Maurer am Samstag zu und musizierte danach noch lange mit anderen Freunden und Bekannten der Familie.

Nächstes Jahr ist Olympia, in zwei Jahren die Heim-WM am Hausberg, es wird wohl weitere Erfolge feiern. Das Stehaufmädl. Das Rennpferd.

Maurers Ziach wird nicht zur Ruhe kommen.

Florian Kinast

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