Maria Höfl-Riesch im AZ-Interview: "Das ist eine starke Mannschaft"

München - AZ-Interview mit Maria Höfl-Riesch: Die Garmisch-Partenkirchnerin (36) gehört mit drei olympischen Goldmedaillen und zwei WM-Titeln zu den erfolgreichsten Skirennläuferinnen Deutschlands.
AZ: Frau Höfl-Riesch, nachdem Sie im vergangenen Sommer eine Corona-Erkrankung zum Glück recht gut überstanden haben trotzdem nochmal nachgefragt: Wie geht's Ihnen?
MARIA HÖFL-RIESCH: Eigentlich gut - aber leider bin ich vor ein paar Tagen böse umgeknickt und hab' mir den Knöchel gebrochen.
Na servus! Gipsfuß?
Nein, aber ich musste meinem Doc versprechen, brav eine Schiene zu tragen und den Fuß möglichst wenig zu belasten. Schon ärgerlich, weil man sich so gar nicht bewegen kann. Dabei sollte ich nun bei "Klein gegen Groß" mitmachen und habe schon wochenlang dafür trainiert. Aber schlimmer wäre es natürlich, wenn ich wegen so etwas eine WM wie die jetzt in Cortina verpasst hätte.
Spezielles Flair in Cortina
Cortina d'Ampezzo ist für Sie sicher ein spezieller Ort: Drei Weltcupsiege konnten Sie auf der berühmten Tofana-Strecke feiern, darunter auch Ihren letzten Weltcupsieg im Januar 2014. Schwärmen Sie uns doch mal ein bisschen vor!
Ich bin immer gerne nach Cortina gefahren, obwohl ich da auch nicht nur schöne Dinge erlebt habe: Im Januar 2005 habe ich mir dort zum ersten Mal das Kreuzband gerissen, kurz vor der WM in Bormio. Aber trotzdem war Cortina immer einer meiner Lieblingsorte, weil es einfach eine schöne Strecke ist, die mir gut gelegen hat, und meistens war auch das Wetter schön. Ich bin ja eh so ein Italien-Fan. Das hat einfach ein spezielles Flair, Bella Italia eben. Die Leute sind nett, der Ort und die Bergkulisse sind wunderschön. Ich hoffe nur, dass sie die Logistik mittlerweile besser im Griff haben. Es kam mir manchmal wie bei einem Fis-Rennen vor. Italienisch halt (lacht). Aber von den Strecken und vom Flair her ist es auf jeden Fall ein würdiger WM-Ort, keine Frage.
Wie WM-würdig sehen Sie das deutsche Team? Fangen wir bei den Frauen an: In den Speed-Disziplinen gibt die Starnbergerin Kira Weidle mehr oder weniger die Alleinunterhalterin, oder?
In den letzten Rennen war sie ja die einzige deutsche Starterin. Nachdem Michaela Wenig zuvor bei einigen Rennen Probleme hatte und weit hinterherfuhr, war sie zuletzt gar nicht mehr am Start und wird wohl im Training versuchen, wieder ihre Form zu finden.
Kira Weidle muss den nächsten Schritt wagen
Wie sehen Sie die Entwicklung von Kira Weidle, die mittlerweile auch schon seit fünf Jahren Weltcups fährt?
Sie hat schon eine gute Entwicklung gemacht, ist eine gute Skifahrerin, was sie das ein oder andere Mal schon gezeigt hat. Aber so langsam müsste jetzt auch mal der nächste Schritt kommen.
Wahrscheinlich eher in der Abfahrt als im Super G?
Was mich ehrlich gesagt wundert! Im vergangenen Winter ist sie bei einigen wirklich technisch anspruchsvollen Rennen gut gefahren. Sie kann auch im Super G schnell sein, aber vielleicht fehlt ihr da doch noch ein bisschen die Erfahrung. Andererseits kennt sie die meisten Strecken ja längst. Aber es stimmt schon: In der Abfahrt hat sie mehr Potenzial.
Schmales Team um Lena Dürr
Im Riesenslalom sieht es nach mehreren Verletzungen und dem Rücktritt von Viktoria Rebensburg noch trauriger aus. Man muss heuer schon froh sein, wenn sich eine DSV-Läuferin für den zweiten Durchgang qualifiziert. . .
Das Team ist schon sehr schmal aufgestellt. In den technischen Disziplinen ist ja nur Lena Dürr bei der WM dabei - und sie fährt ja eigentlich schon seit längerem nur noch Slalom. Lena ist nun auch schon sehr lange dabei. Wenn alles zusammenpasst, kann sie schon mal unter die ersten Zehn fahren, aber dass nach der langen Zeit noch der große Durchbruch kommt und sie zur Siegfahrerin wird, das sehe ich eigentlich nicht. Was seltsam ist: Sie hatte als junge Athletin in allen Disziplinen gute Ansätze, ist in Sölden im Riesenslalom sogar mal Bestzeit im zweiten Durchgang gefahren, was auf diesem steilen Hang ja wirklich eine besondere Leistung ist. Auch in den Speed-Disziplinen hatte sie großes Potenzial, aber irgendwie hat sie den Anschluss verloren.
Das Speed-Team der Männer hat sich sensationell entwickelt
Wie sieht es bei den DSV-Männern aus?
Das Speed-Team hat sich in den vergangenen sechs, sieben Jahren sensationell entwickelt! Im Prinzip seit Christian Schwaiger vom Frauen- zum Männer-Team gewechselt ist. Da ging jetzt wirklich von Jahr zu Jahr etwas voran. Das ist nun eine richtig starke kompakte Mannschaft: Die Jungs waren beim Training in Garmisch zu sechst unter den Top 20 - ich kann mich nicht erinnern, dass es das jemals gab! Und auch wenn es bislang noch zu keinem Podestplatz gereicht hat, hat man schon in Kitzbühel gesehen, dass Andreas Sander und Romed Baumann an einem guten Tag Geheimtipps für eine Medaille sind. Es wäre natürlich klasse, nach so vielen Jahren mal wieder eine deutsche Medaille in den Speedwettbewerben zu holen. Der verletzungsbedingte Ausfall von Josef Ferstl so kurz vor der WM tut natürlich extrem weh.

Heißt: Der DSV müsste Männer-Trainer Christian Schwaiger einfach klonen und gleichmäßig über die Disziplinen verteilen.
Christian hat sicher einen ganz großen Anteil am Erfolg der Speed-Männer. Er hat ja auch unser Frauen-Team damals so stark gemacht, als er 2006 zu uns kam. Da kam ich gerade von meinen beiden Kreuzbandrissen zurück, Vicky Rebensburg war noch ganz am Anfang ihrer Karriere, und Katy Hölzl war lange Zeit nur im Europacup stark, hat sich im Weltcup hingegen schwer getan. Dann hat sie bei der WM in Val d'Isère 2009 Gold im Riesenslalom geholt und ich im Slalom. Ein Jahr später sind wir zu Olympia nach Vancouver gefahren, waren super aufgestellt im Technikbereich und haben sogar drei Goldmedaillen geholt. Was in den vier Jahren vorangegangen war, das war sehr viel dem Christian zuzuschreiben.

So bewertet Maria Höfl-Riesch die Saison von Linus Straßer
Slalomfahrer Linus Straßer fährt heuer erstmals in seiner Karriere als Medaillenkandidat zur WM. Wie erleben Sie seine Saison?
Es war natürlich klasse, dass er endlich den großen Durchbruch mit dem Sieg und auch noch Rang zwei geschafft hat. Vor ein paar Jahren hat sich das schon mal angedeutet, dass er vorne mitmischen kann. Die letzten paar Winter hat er sich eher schwer getan. Vielleicht liegt es auch an Corona, dass Linus einer ist, der ohne Zuschauer und den ganzen Trubel drumherum sich besser fokussieren und damit mental besser umgehen kann. Ich hoffe, dass er sich durch die beiden Einfädler und die eher schwächeren Chamonix-Rennen nicht wieder zu sehr verkrampft. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht: Wenn er jetzt fünf, sechs Rennen hintereinander immer vorne dabei gewesen wäre, dann hätte er für die WM einen riesigen Druck, und so gehört er nicht zum allerengsten Favoritenkreis, weiß aber, dass er es drauf hat, wenn er das zeigt, was er kann. Vielleicht kann er jetzt wieder befreiter auffahren - das würde ich ihm wünschen.

Spielt der Kopf im Slalom die größte Rolle?
Ja, weil es wirklich Millimeterarbeit ist. Da gibt es keinen großen Spielraum, was die Linie betrifft, wie etwa bei der Abfahrt. Man muss halt wirklich den schnellsten Weg fahren.