Maria Höfl-Riesch: "Es juckt nicht mehr"
Die Ex-Skirennfahrerin Maria Höfl-Riesch (31) holte bei Olympia in Sotschi noch einmal Gold in der Kombination und Silber im Super-G, bevor sie im Frühjahr 2014 ihre Karriere beendete. Derzeit arbeitet sie als TV-Expertin für die ARD. Die Abendzeitung hat mir ihr über ihren Job als Expertin und den aktuellen Weltcup gesprochen.
Abendzeitung: Frau Höfl-Riesch, Ihre Zeit als Rennläuferin ist vorbei, nun kehren Sie als Expertin für die ARD an die Stätten Ihrer Erfolge zurück. Zuletzt mussten Sie jedoch erleben, dass viele Ihrer Ex-Kolleginnen mit dem Akia ins Tal chauffiert wurden: Anna Fenninger, Sara Hector und nun auch noch Mikaela Shiffrin, die wohl für den Rest der Saison ausfallen wird. Gibt es eine Erklärung für diese Verletzungsserie?
MARIA HÖFL-RIESCH: Es ist eine ziemliche Häufung im Moment. Vor allem so früh in der Saison! Normalerweise wird man gegen Ende der Saison müde. Aber dass jetzt gleich zu Beginn so viel passiert, ist schon wirklich bedenklich.
Woran liegt’s?
Womöglich doch am Material. Eigentlich war von Anfang an klar, dass das, was vor ein paar Jahren geändert wurde, eher kontraproduktiv ist. Das scheint sich jetzt leider zu bewahrheiten. Es kostet halt einfach noch mehr Kraft, die Ski überhaupt um die Kurve zu kriegen. Wenn man den Schwung trifft, ist durch den größeren Radius ja nicht weniger Druck dahinter. Das war ein Trugschluss, den die FIS (Weltskiverband, d. Red.) da hatte.
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Höfl-Riesch: "Bei der Konkurrenz fehlt Konstanz."
Die prominenten Ausfälle tun dem Weltcup nicht gut... .
..vor allem bei den Damen, wo das Niveau derzeit etwas leidet, weil viele von den Top-Leuten nicht mehr dabei oder verletzt sind. Der Ausfall von Shiffrin ist ein Drama, gerade auch in Hinblick auf den Kampf um den Gesamtweltcup.
Profiteurin ist Ihre Freundin Lindsey Vonn, die nicht nur die Speed-Disziplinen dominiert, sondern nun auch im Riesenslalom siegt. Es läuft heuer mal wieder auf sie als Gesamtweltcup-Siegerin raus, oder?
Ich dachte mir nach den Rennen in Aspen und Lake Louise schon, dass da höchstens Shiffrin mithalten kann. Und sonst? Bei der Konkurrenz fehlt Konstanz. Lara Gut war in Sölden und Aspen super, aber in Are lief gar nix. Ich kann mir nicht vorstellen, dass momentan jemand mit Lindsey mithalten kann. Da ist keine, die in zwei oder drei Disziplinen so viele Punkte einfährt, dass sie Lindsey Paroli bieten könnte.
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Tja, dann müssen Sie doch wieder ran, hilft ja nix...
Ha! Der Zug ist schon weg.
Juckt es Sie überhaupt nicht, wenn Sie die Rennen so aus nächster Nähe erleben, das Adrenalin spüren?
Ich hab’ total viel Spaß, wenn ich Skifahren gehe, rumwedeln kann, wie ich Lust habe. Diesen Druck nicht mehr zu haben, ist angenehm. Es juckt nicht mehr. Es war eine lange, intensive Zeit mit super Momenten, Podestplätzen, Medaillen. Aber es gab auch Dinge, die nicht so viel Spaß gemacht haben, besonders am Ende, und die absolut nicht fehlen.
Welche Skier fahren Sie, wenn Sie privat auf der Piste sind?
Meistens Herren-Slalom-Skier. Die Damen-Slalom-Skier sind mir doch ein bisschen zu kurz. Aber wenn unter der Woche mal Top-Bedingungen sind und auf der Piste nichts los ist, dann fahr’ ich schon auch mal mit einem Riesenslalom-Ski, also mit Renn-Skiern. Und ich habe mir bequemere Schuhe zugelegt.
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Es kann nur besser werden für den DSV
Eher unbequem ist die Lage derzeit bei den deutschen Ski-Frauen. Da sieht es nach den ersten Rennen nicht gut aus.
Kann man so sagen. Viki Rebensburg ist noch nicht so in Form, wie man es erhofft oder erwartet hatte. Sie hat mit ihren Ergebnissen der letzten Saison davon abgelenkt, dass hinter ihr eine Lücke klafft. Jetzt läuft’s auch bei ihr noch nicht, diese fünften oder zehnten Plätze sind ja nicht ihr Anspruch, und dadurch merkt man, wie mau es bei den Damen insgesamt aussieht.
Vor allem, wenn man sich Rebensburg wegdenkt: Danach wird’s ja so richtig finster.
Eben. Wenn sie wie im vorigen Jahr gleich Top-Ergebnisse eingefahren hätte, würde man wohl über die anderen Leistungen im Team schneller hinwegsehen. Aber so...
Können Sie die Misere erklären? Zum Beispiel Lena Dürr: Die ist seit Jahren dabei, fast genauso lange wartet man beim DSV nun darauf, dass bei ihr der Knopf endlich mal aufgeht. Geht er aber nicht.
Naja, wenn es eine plausible Erklärung dafür geben würde, könnte man das Problem ja gezielt anpacken. Aber so ist es im Sport. Im Sommer in der Vorbereitung sind sie gut gefahren, jetzt im Training wohl auch durchaus auf Augenhöhe. Aber in den ersten Rennen konnten sich die meisten nicht einmal für den zweiten Durchgang qualifizieren – dabei schafft man das derzeit ja teilweise sogar mit fünf Sekunden Rückstand. Es ist nicht so, dass das Niveau momentan hinter den drei, vier Top-Läuferinnen extrem hoch wäre und man einen Wahnsinns-Lauf bräuchte, um es in den zweiten Durchgang zu schaffen.
In Aspen war man mit fünf, sechs Sekunden Rückstand unter den besten 15! Da wurden hinten raus sogar welche aus der Wertung genommen, da sie mehr als acht Prozent Rückstand hatten. Wie man sich da nicht qualifizieren kann, ist mir unerklärlich. Echt schockierend. Wolfi Maier (DSV-Alpindirektor, d. Red.) konnte es auch nicht fassen.
Höfl-Riesch turnt mit Marcel Nguyen
Gibt es positive Aspekte?
Es kann nur besser werden!
Immerhin haben Sie über Facebook ein Talent entdeckt: den Turner Marcel Nguyen.
Ich wollte eigentlich Marcel Hirscher schreiben und hab’ mich vertippt. Jetzt hab’ ich einen neuen Facebook-Freund.
Mit dem Sie mal auf die Piste gehen?
Er hat mich gleich zum Turnen eingeladen. Ich glaube nicht, dass das so mein Fall ist. Deswegen habe ich mich revanchiert, und er hat zugesagt.
Wobei der als Turner eher ein Freestyler als ein Racer wäre.
Wer weiß. Aber er stellt sich beim Skifahren bestimmt besser an als ich beim Turnen.
Jetzt die Festtage. Wie feiern Sie Weihnachten heuer?
Same procedure as every year. An Heiligabend treffen wir uns alle in Garmisch, mit meinen und Marcus’ Eltern, meine beiden Geschwister sowieso, und auch meine Oma mit ihren 97 Jahren ist dabei. Danach gehe ich mit Marcus nach Kitzbühel, wo meine Eltern dann noch für ein paar Tage vorbeikommen, wie jedes Jahr.
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Wie geht’s Ihrer Schwester Susanne? Vor einem Jahr musste sie die Karriere beenden.
Sehr gut! Seit September ist sie in Lindau, wo sie eine Ausbildung zur Erzieherin macht. Das war schon immer ihr Berufswunsch, schon vor der Ski-Karriere wollte sie immer etwas mit Kindern machen. Jetzt ist sie vier Tage pro Woche im Kindergarten und einen Tag in der Schule, im nächsten Jahr ist es dann andersrum.
Hat sie noch Probleme mit ihrem Knie?
Manchmal hat sie noch Schmerzen, aber sie kann alles machen, sie spielt auch wieder Tennis im Sommer. Aber die Renn-Ski bleiben im Keller.