„Maria, ein Phänomen – und ein Glücksfall“
Ski-Legende Rosi Mittermaier über das Erfolgsgeheimnis von Seriensiegerin Riesch und Parallelen zu ihrer eigenen Karriere.
AZ: Frau Mittermaier, mit dem Slalom-Erfolg am Sonntag ist Maria Riesch etwas geglückt, was selbst Sie nicht erreichten, vier Siege am Stück in einer Disziplin. Können Sie uns sagen, warum Maria Riesch derzeit so stark ist?
ROSI MITTERMAIER: Da ist einmal ihr unglaublich ruhiger Fahrstil. Sie fährt sehr rationell. Der Oberkörper ist immer total stabil, die Hände haben immer die gleiche Haltung. Sie macht nie zu viel, verliert nie die Ruhe. Und unten raus gehen die Beine weg wie das Perpendickel einer Uhr. Links, rechts, links rechts. Sie hat ein Gefühl für den Schnee, sie schleicht richtig, ohne zu viel aufzukanten. Das ist die optimale Ökonomie beim Skifahren, nur die wenigsten schaffen es.
Aber dass sie gerade im Slalom auf einmal so stark ist, wo sie doch vor allem als Spezialistin in Abfahrt und Super-G galt.
Das ist ja die große Fehleinschätzung der Maria Riesch. 2004 in Levi hat sie ja schon einen Slalom gewonnen. Die Maria war schon immer stark im Slalom. Das ist keine, die vier Abfahrten am Stück gewinnt, wenn dann vier Slaloms. Sie hat einfach keine Wackler in ihrem Fahrstil, sie wirft nichts aus der Bahn. Aber das tut sonst auch nichts.
Was meinen Sie?
Eine Maria Riesch schmeißt nichts um. Ich kenne sie seit so vielen Jahren, seit sie im Kindergarten war. Was sie schon immer ausgezeichnet hat, ist ihre überdurchschnittliche mentale Stärke.
Woher kommt die?
Die hat ihr vermutlich der Liebe Gott in die Wiege gelegt. Antrainieren kann man das nicht, auch kein Psychologe kann dir das beibringen. Aber das ist auch ein Verdienst des Umfeldes. Sie ist aufgewachsen in einer Familie, wo das richtig gelebt wird, dass einen nichts umschmeißt, dass man stark bleiben muss, auch in schweren Zeiten.
Sie sprechen von ihren beiden Kreuzbandrissen Anfang und Ende 2005, als sie insgesamt fast zwei Jahre ausfiel.
Gerade da hat sie immer wieder daran geglaubt, dass sie wieder zurückkommt in die Weltspitze. Die Maria habe ich nie klagen gehört. Wenn ich sie im Sommer getroffen und sie gefragt habe, wie es ihr in der Reha geht, da hat sie dann immer gesagt: „Du, ich trainiere schon wieder, es geht ganz gut.“ Sie ist einfach ein total positiver Mensch, und das liegt zu einem Großteil an ihren Eltern.
Monika und Siegfried Riesch, die ja auch jetzt in Maribor mit dabei waren.
Die sind ganz wichtig. Das sind ganz geerdete Menschen, die ihre Töchter Maria und Susi mit Augenmaß, aber auch mit Strenge und Zielstrebigkeit unterstützt haben. Die Susi ist auch sehr wichtig, die Maria hat sich schon immer unheimlich Freude, wenn ihre Schwester erfolgreich war, das war immer ein harmonisches Verhältnis zwischen den beiden, Neid gab es da nie. Es ging einfach immer darum, die Dinge richtig einzuordnen. Und auch als sie verletzt war, haben die Eltern das nicht so tragisch genommen und gesagt, dass das zum Skisport dazu gehört.
Jetzt gehört dazu, dass Riesch den Skisport dominiert. Trauen Sie ihr den Gesamt-Weltcup denn zu?
Wem denn sonst? Lindsay Vonn vielleicht, aber dann? Marlies Schild und Niki Hosp sind verletzt, mit Poutiainen rechne ich nicht. Ich denke, Maria kann den Skisport auf Jahre hinaus dominieren.
So wie einst Sie. Maria Riesch ist ja bereits kurz davor, als erste deutsche Skifahrerin seit 1976 den Slalom-Weltcup zu gewinnen. Damals triumphierte eine gewisse Rosi Mittermaier, die in ihrer Karriere zehn Weltcup-Rennen gewann. So viele wie bisher auch bereits Maria Riesch. Sehen Sie denn Parallen zwischen Ihnen?
Wenn, dann, dass bei mir alles genauso automatisch locker und leicht ging, als ich Erfolg hatte, so wie bei der Maria jetzt auch. Ansonsten ist das eine ganz andere Zeit, mit Vergleichen tu ich mir da schwer. Ich bin 1,62 Meter groß, die Maria ist 1,81, da ist schon der Fahrstil ganz unterschiedlich.
Und der Charakter?
Auch. Die Maria ist viel ruhiger als ich es war, sie hat einen viel größeren Siegeswillen als ich ihn je hatte, ohne dabei zu verbissen zu sein. Verbissen sind viele andere. Wenn ich sehe, wie die sich abschotten zwischen den Durchgängen während die Maria daherkommt, dich umarmt, mit dir redet, ganz locker und entspannt. Das ist Souveränität. Die Maria ist ein Phänomen und ein Glücksfall, eine einzigartige Persönlichkeit. Sie hat schon als Jugendliche jedem die Meinung gesagt, hatte nie Hemmungen zu sagen, was sie denkt, vor niemandem.
Wird Sie in 30 Jahren ein ähnliches Idol sein wie Sie heute?
Ein Idol ist sie jetzt schon. Und mit dieser Einstellung mache ich mir bei der Maria keine Sorgen, sie wird auch im Leben nach dem Skisport so sein wie jetzt. Ein positiver und glücklicher Mensch.
Interview: Florian Kinast
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