„Mal sehen, ob jemand zuschaut“

Die Ski-Saison beginnt - und die deutschen Stars Neureuther und Riesch gehen als Favoriten auf die Piste. Fürs Fernsehen sinddie Alpinen allerdings nur noch Randsportler.
SÖLDEN Sie zeigen alles. Live, beide Rennen, den Riesenslalom der Frauen am Samstag, den der Männer am Sonntag. Schon eine halbe Stunde vor Beginn der Läufe gehen sie auf Sendung, am Abend gibt es dann noch ausführliche Zusammenfassungen und Analysen vom Weltcup-Auftakt der alpinen Skifahrer in Sölden. Volles Programm. Beim ORF. Bei deutschen TV-Sendern nicht. Hierzulande bleiben die Alpinen Randsport.
Nur die beiden Durchgänge von Maria Riesch und ihrer Konkurrentinnen gibt es am Samstag live (9.45/12.30 Uhr) zu sehen, und zwar im Bayerischen Fernsehen (BFS) und bei Eurosport. Wer keinen ORF empfängt, schaut bei den Männern am Sonntag ganz in die Röhre. Bei Felix Neureuther sehen die TV-Zuschauer schwarz. Denn dieses Rennen kommt erst gar nicht.
Vergangene Woche kaufte die Europäische Rundfunkunion EBU, zu der auch ARD und ZDF gehören, beim Österreichischen Skiverband die Übertragungsrechte für die Ski-Weltcups im kommenden Winter in Österreich. Ein Grund, gleich das komplette Programm umzuschmeißen, war das nicht. Beim ZDF hieß es auf AZ-Nachfrage, es gebe Kurzberichte im Sportstudio und in der Sportreportage, immerhin rang sich das BFS zu einer Liveübertragung der Frauen durch. Und warum nicht der Männer? „Sportlich ist das aus deutscher Sicht nicht so interessant“, sagt BR-Sportchef Werner Rabe, denn schließlich kommt Felix Neureuther als einziger DSV-Starter im ersten Lauf erst mit Nummer 65, und bis dahin auf Sendung zu bleiben, würde doch zu lange dauern. Und auch beim Frauenrennen klingt Rabe wenig euphorisch: „Wir wollen jetzt mal sehen, ob jemand zuschaut. Es ist noch nicht wirklich die Jahreszeit, zu der sich die Menschen fürs Skifahren interessieren.“
Dabei sollten sie das. Nach Wunsch der Ski-Industrie und der Wintersportorte. Seit acht Jahren startet der Ski-Weltcup Ende Oktober auf dem Rettenbachferner in Sölden. Ein Gletscher-Rennen, das die Menschen an den Bildschirmen daran erinnern soll, dass sie jetzt unbedingt die neuesten Skier für die anstehende Schnee-Saison brauchen und schleunigst ihren Urlaub in den winterlichen Bergen buchen sollen. Dumm nur, wenn gar keiner zuschauen kann, zumal nach Sölden erst einmal schon wieder eine Pause im Weltcup folgt. Weiter geht es erst Mitte November im finnischen Levi, danach folgen die US-Rennen. Ein richtig telegener Klassiker folgt erst in Val d’Isere. Und da ist es aber auch schon Mitte Dezember.
„Dass Rennen in Deutschland nicht übertragen werden, ist eine Katastrophe“, sagt Maria Riesch, in der kommenden Saison Mitfavoritin auf den Gesamt-Weltcup. „Ich bekomme selbst viele Briefe, in denen sich Fans beschweren, dass so wenig Alpinrennen im Fernsehen kommen.“ So gab es vergangenen Winter gar keine Live-Bilder aus Sölden, und Riesch weiß noch, wie sie an Dreikönig nach dem ersten Slalomlauf im tschechischen Spindlermühle Erste war. „Nur den zweiten Durchgang haben sie bei uns gar nicht gezeigt“, sagt sie, „stattdessen kam Skeleton.“
Garantiert kein Skeleton kommt am Sonntag. Um 9.45 Uhr, wenn die Männer in den Winter starten, läuft im Bayerischen Fernsehen die „Elternsprechstunde“. Mit Ratschlägen für Väter und Mütter. Etwas mehr Fürsorge täte auch den Alpinen gut. Die bleiben vorerst ein ungeliebtes Stiefkind.
Florian Kinast