Löw: «Unser Ziel ist jetzt das Finale»

Tenero (dpa) - Jetzt will Joachim Löw alles. Während in Deutschland die EM-Party schon auf vollen Touren läuft, duldete der Bundestrainer nach dem «Kracher-Sieg» gegen Portugal im DFB-Quartier in Ascona lediglich Jubel für eine Nacht.
von  Abendzeitung
Bundestrainer Joachim Löw (M) beobachtet seine Spieler beim Training.
Bundestrainer Joachim Löw (M) beobachtet seine Spieler beim Training. © dpa

Tenero (dpa) - Jetzt will Joachim Löw alles. Während in Deutschland die EM-Party schon auf vollen Touren läuft, duldete der Bundestrainer nach dem «Kracher-Sieg» gegen Portugal im DFB-Quartier in Ascona lediglich Jubel für eine Nacht.

Um zwei Uhr morgens war das Team nach dem beeindruckenden 3:2-Erfolg im EM-Viertelfinale wieder am Lago Maggiore eingetroffen und gönnte sich einen kleinen Feier- Trunk. Doch spätestens, nachdem im Hotel «Giardino» zum Frühstück die Bilder der heimatlichen Begeisterung über die Bildschirme flimmerten, erinnerte Löw an die längst noch nicht erfüllte Titel-Mission.

«Wichtig ist, dass man die Spieler für ein paar Stunden ausfreuen lässt. Beim Turnier ist aber auch wichtig, dass man am nächsten Tag wieder auf den Boden zurückkommt», verkündete der Bundestrainer. Die Reservisten bekamen schon am Nachmittag unter hochsommerlichen Bedingungen, die nach Regenwochen im Tessin Einzug gehalten haben, diese Entschlossenheit zu spüren. Die Trainingsbelastung wurde hochgefahren, «damit die Spieler im Rhythmus bleiben», erklärte der Leiter der «Bergtour 2008». Das komplette Team startet schon am Sonntag in die scharfe Vorbereitung auf das Halbfinale, das am kommenden Mittwoch erneut in Basel steigt.

Löw hatte Chefscout Urs Siegenthaler zur nochmaligen persönlichen Beobachtung der Kroaten und Türken nach Wien geschickt, die DFB-Trainer wollten am TV-Schirm frische Erkenntnisse gewinnen. «Selbstverständlich wird unser Ziel jetzt sein, ins Finale zu kommen», verkündete Löw und verbot jedes Gefühl, man habe bei dieser Europameisterschaft schon etwas Außergewöhnliches erreicht.

Zwar zeigte sich der gegen Portugal gesperrte Löw, der seinem Assistenten Hansi Flick ein «hervorragendes» Coaching bescheinigte, «stolz» auf die Leistung seiner Mannschaft gegen die zuvor so überzeugenden Portugiesen. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel bescheinigte als Oberfan aus Brüssel der Truppe eine «unglaubliche Leistung». Doch der Bundestrainer stufte den Erfolg nur als weitere Zwischenstation ein. Ob Torsten Frings trotz eines Rippenbruchs im weiteren Turnier nochmals eingreifen kann, bleibt laut Löw «abzuwarten». Die anderen 22 Spieler aber seien fit.

Die Mannschaft bekam am Freitag trotz des auch körperlichen Kraftakts im Viertelfinale nicht «ganz frei», die Frauen, Freundinnen und Kinder durften nur zu einem kurzen Kuschelabend ins Quartier. «Wir sind jetzt im Turnier», unterstrich der Bundestrainer und verwies auf eine klare Abmachung aus dem Trainingslager auf Mallorca. Nach der dürfen die «besseren Hälften» immer am Nachmittag nach einem Spiel ins Teamhotel. Und Löw sagte klar: «Es gibt keinen Grund, davon abzuweichen.»

Die Spieler, die sich schon jetzt über je 100 000 Euro Prämie Freude dürfen, haben das Signal ihres Anführers verstanden. «Der Akku ist noch nicht leer. Noch zwei Spiele, dann sind wir an unserem Ziel. Ich denke, da wird sich jeder noch einmal richtig reinhängen», erklärte Lukas Podolski, der gegen die Portugiesen wieder zu den besten Deutschen gehört hatte. Das wieder aufgeblühte Verständnis mit seinem WM-Kumpel Bastian Schweinsteiger, dessen überragendes Spiel und eine mutige Taktik- sowie Personalumstellung waren die Sieggaranten gegen die zuvor stärker eingeschätzten Portugiesen. «Wir haben gesehen, was möglich ist», sagte Löw, der in seiner Glaszelle im Baseler Stadion «angespannter war als am Spielfeldrand».

«Die Umstellung hat uns geholfen. Wir waren präsenter im Mittelfeld und hatten da mehr Kontrolle und mehr Ballbesitz», unterstrich Michael Ballack die Wirkung des taktischen Wechsels vom klassischen 4-4-2 hin zu einem 4-2-3-1-System mit der überzeugenden «Doppel-Sechs» mit Simon Rolfes und Thomas Hitzlsperger. Der DFB- Kapitän wertete die überraschende Abkehr von zwei Stürmern zugleich als deutliches Zeichen an die verbliebene Konkurrenz, «dass wir die Kreativität besitzen, von der uns manchmal nachgesagt wird, dass wir diese nicht haben».

Wer die Blitzidee zum wirkungsvollen Systemwechsel hatte, wollte die sportliche Leitung nicht verraten. «Es ist sekundär, wer und wie etwas entschieden hat. Wir machen das als Team», betonte Flick nach seinem Chef-Debüt. Der 43-Jährige hatte mit Löw um eine Flasche Rotwein gewettet, dass Deutschland diesmal mindestens ein Tor aus einer Standard-Situation machen würde. Es wurden sogar zwei Flaschen für Löw, beide Treffer hatte Schweinsteiger vorbereitet.

«Er hat das zurückbezahlt, was er versprochen hat, dass er ein großes Spiel macht», lobte Flick den Münchner, der das 1:0 energisch erzwang (22.). Er habe sich «alle Standards für und gegen Portugal nochmal angeschaut» und dabei die Schwächen des Kontrahenten erkannt, berichtete Flick. Erst Miroslav Klose (26.) und dann Ballack (61.) nutzten genau diese Schwächen mit ihren Kopfball-Toren. «Wir brauchen uns nicht zu verstecken», betonte der Kapitän, warnte aber zugleich: «Wir brauchen auch nicht zu denken, dass wir die Besten sind.»

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