Lisickis Vater: "Willensstark! Zäh! Ehrgeizig!"
AZ: Herr Lisicki, selten hat man Sie in der Ehrenloge auf dem Centre Court so aufgeregt gesehen wie beim Halbfinal-Spiel von Sabine gegen Agnieszka Radwanska.
RICHARD LISICKI: Es war natürlich die Hölle für mich. Eine Nervenschlacht, bei der man trotzdem versuchen muss, nach außen möglichst ruhig zu bleiben. Damit auch Sabine ruhig bleibt. Ich habe immer an sie geglaubt, in diesem Spiel wie auf unserem langen gemeinsamen Weg. Als sie das 3:1 im dritten Satz machte, wusste ich: Jetzt wird sie noch mal zur Aufholjagd starten. Am Ende war es nur schön, sie da unten als Siegerin zu sehen, als Wimbledon-Finalistin.
Was bedeutet das jetzt für Ihre Karriere?
Sie ist nicht der Typ, der irgendwie abheben wird. Ich wünsche mir, dass sie endlich längere Zeit verletzungsfrei spielen kann. Dann wird sie in der Weltrangliste weiter nach oben rutschen, vielleicht bald in die Top Ten. Ich finde, dass sie da auch hingehört.
Wie sehen Sie die Chancen gegen Marion Bartoli?
Bartoli ist eine sehr intensive Wettkämpferin, die sich regelrecht in ein Spiel verbeißen kann. Das wird nicht einfach. Aber ich vertraue auf Sabines Stärken, ihr besonderes Wimbledon-Gefühl. Sie geht hier anders durch die Welt, gelöster, freier, beschwingter. Es ist, als ob der All England Club ein zweites Zuhause für sie ist.
In England ist Ihre Tochter zum Publikumsliebling geworden, als Mädchen, das immer ein Lächeln im Gesicht hat. Wie würden Sie Sabine beschreiben?
Unkompliziert, lebensfroh, sehr zuverlässig. Aber auch willensstark, zäh, ehrgeizig. Sie wusste seit ihrer Kindheit genau, was sie wollte. Als sie das dann früh auch aussprach, erntete sie teilweise harte Kritik. Aber sie ist nun mal so, jemand, der groß denkt und Großes erreichen will. Grand-Slam-Siege eben auch.
Sie sind Vater und Trainer von Sabine. Wie schwer ist es, beide Rollen zu spielen?
Man kann das nicht trennen. Tennis ist immer irgendwie ein Thema bei uns. Es wäre eher ungewöhnlich, wenn wir zwanghaft sagen würden: Jetzt schalten wir das weg. Aber Sabine hat genügend Freiräume, wenn sie nicht Tennis spielt. Da ist sie eine junge Frau, die nichts anderes tut als andere in ihrem Alter.
Selbst altgediente Experten wundern sich, wie Ihre Tochter selbst in kritischsten Situationen die Ruhe und Gelassenheit behält.
Sie war immer mental stark. Da fällt mir automatisch wieder ein, wie man uns vor zehn Jahren oder so, als wir durch ganz Europa zu Jugendturnieren fuhren, vor den russischen Spielerinnen und deren starker Psyche warnte. Und dann hat Sabine sie alle geschlagen. Da war mir klar: Sie kann einmal etwas Besonderes im Tennis schaffen.
Diese verrückten Aufholjagden haben Sie einmal als „typisch Sabine” beschrieben.
Ja, es ist nichts Außergewöhnliches für sie. Es ist die Regel bei ihr. Ihr gelingt, was nur wenige im Tennis können, einen Spielstand zu vergessen. Deshalb gibt es da auch nicht das große Zittern und Flattern, wenn es knapp wird. Das haben nun auch Serena Williams und Radwanska hier in Wimbledon erlebt.
Nick Bollettieri, der Sabine und Ihnen viel geholfen hat, sprach einmal von den Genen eines Champions.
Es gibt eben etwas, was nicht zu trainieren ist. Das ist etwas, was einem gegeben ist – oder nicht. Sabine hat dieses Talent, sich auf großer Bühne wohl zu fühlen. Inspiriert zu werden von einer Atmosphäre wie in Wimbledon, gegen die Besten der Besten ihr bestes Tennis zu spielen.
Streng waren Sie in der Tennis-Erziehung, wenn es um die Disziplin ging. Haben Sie schon mal gesehen, dass Sabine einen Schläger kaputtgemacht hat?
Sicher nicht. Denn da war meine Ansage klar: Wenn Du das tust, musst Du alleine weitertrainieren. Ich will das auch nicht im Spiel sehen. Das ist negativ für die Psyche, und kostet unnötige Kraft.