Lisicki leidet: Gras-Allergie

„Kopf dicht, Stimme weg“: Wie Wimbledons Rasen Sabine Lisicki krank macht.
LONDON Für die meisten Profis ist Wimbledon der Garten Eden, das grüne Himmelreich im Tenniszirkus, das Nonplusultra im jährlichen Nomadenleben.
Für Sabine Lisicki ist das größte und bedeutendste Turnier der Welt aber zunächst mal nichts als eine Qual, ein Ort der Ängste, der Sorgen und der Zweifel.
Lisicki, die deutsche Nummer Eins im Damentennis, leidet an einer echten und keineswegs bloß gefühlten Gras-Allergie.
Und wenn sie, wie am Dienstag, zwei lange Stunden um ihren Erstrundensieg gegen die Russin Anna Tschakwetadse kämpfen muss, dann kann es schon mal passieren, dass „der ganze Kopf dicht ist“, dass „einem schwindlig wird“ oder dass sogar „die ganze Stimme weggeht.“
Doch an einer bemerkenswerten Aufholjagd hinderte die tapfere Berlinerin auch das chronische Problem nicht: Zwischenzeitlich nur noch zwei Punkte von einer Auftaktniederlage entfernt, bog die Teenagerin die Partie auf dem dicht mit Zuschauern gepackten Court 18 noch einsatzstark zu einem 4:6, 7:6, 6:2-Sieg gegen Tschakwetadse, die Nummer 32 der Setzliste, um.
„Ein großartiger Erfolg“ sei das gewesen für Lisicki, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner, „andere würden mit solchen Schwierigkeiten ja gar nicht erst nach Wimbledon fahren.“
Zum großen Jubeln war der 19-Jährigen allerdings auch nach dem ersten Sieg auf einem Rasenplatz nicht zumute, zu langen Betrachtungen über das gelungene Comeback in dem Match schon gar nicht. „Ich kann kaum reden“, flüsterte die Berlinerin in einer Schnell-Pressekonferenz, „die Stimme war im zweiten Satz auf einmal weg. Das war schon ziemlich irritierend.“
Schon im vergangenen Jahr hatte Lisicki schwer unter der Grasallergie gelitten und war in Runde eins gegen die ehemalige Finalistin Marion Bartoli (Frankreich) ausgeschieden: „Da habe ich mich schon wahnsinnig geärgert und gedacht: Warum muss ich so ein Pech mit dieser Krankheit haben“, sagte Lisicki, „aber ich habe nie dran gedacht, deshalb auf Wimbledon zu verzichten.“
Fräulein Lisickis unseliges Gespür für Gras sollte zumindest in der nächsten Runde kein Hinderungsgrund für eine Fortsetzung der Mission Wimbledon sein. Mit der Österreicherin Patricia Mayr erwischte sie eine „Glücksgegnerin“, so Rittner, „das muss sie einfach schaffen.“ In Runde drei könnte dann allerdings French Open-Siegerin Swetlana Kusnetsowa warten.
Wenn Wimbledon 2009 und die ganze Saison vorüber sind, irgendwann im Spätherbst, dann soll der Kampf gegen den lästigen Angstgegner im All England Club noch einmal aufgenommen werden. „Dann will ich Ärzte konsultieren und mich intensiv gegen diese blöde Allergie behandeln lassen“, sagt Lisicki.
Na dann: Gute Besserung.
Jörg Allmeroth