Lisicki: "Ich kann meine Tränen nicht verstecken"

Sie hat das Finale glatt verloren – doch die Herzen der Fans erobert in diesen 14 Tagen von Wimbledon. Hier spricht Sabine Lisicki über ihre Gefühle, den Druck und die Ziele: „Ich will diese Schale haben”
von  Interview: Jörg Allmeroth

AZ: Sabine Lisicki, es hat nicht gereicht. Das 1:6, 4:6 im Finale gegen Marion Bartoli war deutlich. Glückwunsch trotzdem zu einem großartigen Turnier. Was bleibt Ihnen von Wimbledon 2013?

SABINE LISICKI: Die Erinnerung an das schönste Abenteuer, das ich als Tennisspielerin je hatte. Der Stolz auf große Siege. Die Enttäuschung, dass ich die Chance im Finale nicht nutzen konnte. Die starke Zuversicht, das noch einmal schaffen zu können, auch den letzten, entscheidenden Schritt zu gehen.

Insgesamt klingt das positiv.

Wimbledon hat mich als Mensch und als Profi stärker gemacht, die Enttäuschung über die Niederlage ist groß. Aber ich habe mir trotzdem gezeigt, was ich in meinem Beruf erreichen kann. Der Hunger, das noch einmal erleben zu dürfen, ist nur größer geworden.

Warum lief es am Ende schief im Finale?

Ich war einfach nicht die Spielerin, die vorher in diesem Turnier auf dem Platz stand – gegen eine Serena Williams, gegen eine Agnieszka Radwanska. Die Kraft fehlte, auch die mentale Härte. Da nützt auch der Wille nichts mehr: Ist der Körper zu schwach, geht die Konzentration verloren. Fehler schleichen sich ein. Fehler, die auch die Moral untergraben.

Schon viele Final-Debütanten hatten mit der Anspannung zu kämpfen.

Ich habe mich super gefühlt vor dem Match. Ich habe allerdings sehr wenig geschlafen. Das ging einfach nicht. Wahrscheinlich vor Nervosität. Ich habe mich aufs Spiel Freude.

Und wie war es dann, als Sie den Center Court betraten?

Das ist schon eine ganz andere Atmosphäre als sonst. Diese feierliche Stimmung, die über allem liegt, die Zeremonien vor dem Match, die Blumen, die man bekommt. Das hat man zwar schon hundert Mal im Fernsehen gesehen, aber wenn man selbst plötzlich mitten drin ist in einer solchen Szene, ist das eine völlig neue Erfahrung.

War das der entscheidende Faktor: Die fehlende Erfahrung in ganz großen Spielen?

Es war einer der Puzzlesteine, die das Bild nicht zusammensetzten. Marion Bartoli kannte die Situation schon, die war 2007 ja schon mal im Endspiel. Sie hat das unbeschwerter und lockerer gespielt. Und dann war es eben diese leichte Müdigkeit bei mir.

Im zweiten Satz kamen Ihnen die Tränen, war der Druck zu groß?

Nein, ich war einfach traurig, dass ich nicht so gespielt habe, wie ich es kann. Es waren Tränen der Enttäuschung. Ich kann meine Tränen nicht verstecken, wie es andere machen, aber dafür mögen mich viele Leute, weil ich auch nur ein Mensch bin.

Steffi Graf hat Ihnen nach der Niederlage zu einem überragenden Turnier gratuliert und gesagt, es sei ein Riesenspaß gewesen, Ihnen zuzuschauen.

Das bedeutet mir wirklich sehr viel. Steffi ist einfach eine große Inspiration für mich. Wie gesagt: Wenn man selbst erlebt hat, wie schwer es ist, einen Grand Slam-Sieg zu holen, dann wächst nur die Hochachtung vor einer wie Steffi, die das immer wieder geschafft hat. Über mehr als zehn Jahre.

Glauben Sie daran, irgendwann in Wimbledon gewinnen zu können?

Ja. Ich glaube sogar fest daran. Ich werde mit jedem Jahr auf der Tour besser, weil ich aus Erfahrungen lerne. Das habe ich gemacht, als ich hier im Viertelfinale stand, das habe ich gemacht, als ich hier im Halbfinale stand. So hart diese Erfahrung heute ist, sie wird mir in der Zukunft helfen. Das Turnier hat mich zu einer besseren Spielerin gemacht. Es war eine wunderschöne Zeit - und eine Erfahrung, die mir Mut und Selbstbewusstsein gibt für meine Zukunft. Es war ein Meilenstein für mich.

Welche Ziele haben Sie für den Rest der Saison?

Ich habe jetzt so richtig Lust, dieses gute Wimbledon zu bestätigen. Schon auf der Welle weiter zu surfen. Denn klar ist auch: Wenn ich in der Weltrangliste weiter nach oben rutsche, ist so ein Programm bei einem Grand Slam-Turnier auch etwas angenehmer - dann spielst du nicht gleich in der ersten Woche schon gegen zwei Grand Slam-Siegerinnen wie Francesca Schiavone und Samantha Stosur.

Sehen wir Sie beim nächsten Mal in Wimbledon vor Glück weinen?

Ich will die Siegerschale irgendwann haben. Ich bin ihr jedes Jahr näher gekommen. Viertelfinale, Halbfinale, jetzt Finale. Da geht noch mehr.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.