Lisicki gescheitert: Ich bin ein Star - ich bin hier raus
Melbourne - Als Sabine Lisicki sich Mitte Dezember über das Parkett des Baden-Badener Kurhauses bewegte, bei den Zeremonien der Wahl zu den „Sportlern des Jahres“, da war sie gefühlt noch einmal in einem Finale drin. Lisicki gegen die Speerwerferin Christina Obergföll lautete dieses Duell, das ausging wie Lisicki gegen Marion Bartoli im Wimbledonfinale: Die Blondine mit dem Spitznamen „Bum Bum Bine“ wurde Zweite, war aber schon noch eine zweite Siegerin. Und nicht die erste Verliererin.
Kurze Zeit später war sie endgültig in der Glitzerwelt angekommen, da wurde ihre Liaison mit Comedian Oliver Pocher publik und sie präsentierten sich auf den roten Teppichen der Promi-Welt. Einen Monat später ist die 24-Jährige weit von all dem entfernt: Vom Glamour eines Ball-Auftritts, von den sportlichen Seite-1-Schlagzeilen, aber erst recht vom Ruhm, den sie sich in London als furchtlose Wettkämpferin verdient hatte. Im Hier und Jetzt des Gastspiels bei den Australian Open, ein halbes Jahr und eine Woche nach Wimbledon, hätte der Kontrast schärfer nicht ausfallen können. Ein Auftritt nach dem Motto: Ich bin ein Star, ich bin hier raus! Frei nach der RTL-Dschungelcamp-Trash-Show, die am Freitag beginnt und dazu ebenfalls in Australien spielt.
Geschlagen von der unbarmherzigen Hitze von über 40 Grad in Melbourne, aber auch von sich selbst und professionellen Defiziten, kam schon in Runde zwei der Knockout für Lisicki – nach dem 6:2, 2:6, 2:6 gegen Trickspielerin Monica Nicolescu (Rumänien). „Die Hitze hat mich erwischt, meine Beine wurden richtig weich“, sagte Lisicki, ohne der Siegerin irgendwelche Meriten zuzuschreiben. Bum Bum machte es dann auch noch – in Richtung der Turnierbosse: „Es gibt einen Punkt, an dem es zu heiß wird, um Sport zu treiben. Ich sehe, was jeder sieht: Spieler und Ballkinder brechen zusammen, müssen sich übergeben.“ Der Frust der Wimbledon-Finalistin war verständlich an einem Ort, an dem Tennis in der Höllenhitze zum bedenklichen Extremsport verkommt.
Aber Lisicki kann sich nicht ausnehmen in der Ursachenforschung für den Absturz. Immer wieder scheitert sie an Rivalinnen, die sie mit halber Power, aber unberechenbaren Kombinationen aus der Wohlfühlzone bringen. Lisicki präsentierte dagegen nur Krachwumm-Tennis, ohne Alternative halt. Bleibt Martina Hingis tatsächlich an Bord beim Team Lisicki, obliegt der neuen Beraterin viel Arbeit, um mehr Spielkultur zu erzeugen. Eine offene Flanke hat die 24-Jährige auch jenen geboten, die ihre körperliche Verfassung anzweifeln.
Längst bevor Lisicki im Zuge ihrer schlagzeilenträchtigen Liaison mit Pocher unter argwöhnische Beobachtung geriet, weil mancher dachte, dass bei all den neuen Blitzlichtterminen das Training zu kurz kommen könnte, hatte sich Lisicki jäh von ihrem Coach Wim Fissette getrennt. Der Rausschmiss hinterließ ein ungutes Gefühl. Das erste Major-Turnier 2014 weist auf den scheinbar nicht abzuschüttelnden Schiefstand in Lisickis Karriere hin: fehlende Konstanz. Vor dem Turnier hatte Lisicki noch gesagt, das Selbstbewusstsein sei vorhanden für den Vorstoß in die Top Ten. Jetzt ist klar: Der Reformbedarf im Tennis-Unternehmen Lisicki ist nicht kleiner geworden.