Licht aus, Fuß runter, Augen auf

Die Formel 1 wird am Sonntag in Singapur eine Premiere feiern. Zum ersten Mal wird ein Rennen bei Nacht und unter Flutlicht ausgetragen.
SINGAPUR Das ist ja mal eine ziemlich spezielle Rennvorbereitung: „Ich lande, gehe die ersten Tage in die Disco und schlafe dann tagsüber“, sagt Williams-Pilot Nico Rosberg. Ein Spruch, wie er Formel-1-Legende James Hunt (†), dem langmähnigen, kettenrauchenden, dem Alkohol und Partys nicht abgeneigten Weltmeister von 1976 bestimmt gefallen hätte.
Aber Rosbergs Disco-Besuche sind rein professioneller und pragmatischer Natur. Vor dem ersten Nachtrennen in der Geschichte der Formel 1 am Sonntag in Singapur (14 Uhr MESZ, RTL und Premiere live) will er sich nicht umständlich auf den asiatischen Biorhythmus einstellen. Rosberg macht den Tag zur Nacht. Weil die FIA die Nacht zum Tag macht. Zumindest aus Sicht der Europäer.
Weil Formel-1-Impressario Bernie Ecclestone in den aufstrebenden asiatischen Tigerstaaten am meisten verdienen kann, werden immer mehr Formel-1-Rennen in Asien ausgetragen. Da die meisten Fernsehzuschauer und Sponsoren aber aus Europa kommen, lässt Ecclestone die Piloten nun unter Flutlicht fahren – und zwingt sie so zu absurden Schlafzeiten. „Wir Fahrer werden am frühen Nachmittag aufwachen und frühstücken“, erklärt der Silberpfeil-Pilot und WM-Führende Lewis Hamilton, „um ein Uhr nachts gibt es einen Snack, und um drei Uhr geht es ins Bett.“
Und das alles, damit Hamilton & Co. am Sonntagabend um 20 Uhr Ortszeit hellwach durch die engen Schluchten der Finanzmetropole rasen können. Übrigens ohne Scheinwerfer am Auto, das würde schließlich die Aerodynamik der Boliden stören. Die Organisatoren haben stattdessen die Strecke ausgeleuchtet.
1485 Lichtprojektoren stehen an der 5067 Meter langen Strecke rund um den Marinehafen. Alle vier Meter steht in acht Metern Höhe einer dieser Superscheinwerfer. Die gesamte Kraft der Strahler der italienischen Firma Valerio Maioli wird mit drei Megawatt angegeben - das würde ausreichen, um eine Kleinstadt mit 15000 Einwohnern mit Strom zu versorgen. Die Lampen sollen den engen Kurs durchschnittlich mit 3000 Lux erstrahlen lassen. Damit wird es an der Strecke vier Mal so hell sein wie in einem ausgestrahlten Fußballstadion. Gespeist werden die Lampen von zwei lastwagengroßen Generatoren. Einen Lichtausfall, so versichern die Lichtspezialisten aus Italien, kann es nicht geben. Sogar die Boxentafeln der Teams werden beleuchtet sein. Einziges noch ungelöstes Problem: Die Reifenwechsel. Denn dabei liegen Radnaben in der ebenfalls von oben ausgeleuchteten Boxengasse im Schatten und sind mit den Schlagschraubern schwerer anzuvisieren.
„Wir werden genug sehen“, glaubt BMW-Pilot Robert Kubica, „das wird kein großer Unterschied sein zu sonst.“ Trotzdem haben die Teams spezielle Helm-Visiere dabei. Diese sollen die Lichtreflektionen kompensieren. Weltmeister Kimi Räikkönen kann sein Visier per Knopfdruck sogar auf 30 Grad erwärmen. Damit er, sollte es regnen, nicht mit einem beschlagenen Visier kämpfen muss. Und dass es regnet, ist ziemlich wahrscheinlich. „Es regnet hier jeden Abend“, sagt Force-India-Boss Vijay Mallya, der 25 Jahre lang in Singapur gelebt hat. Die Organisatoren verboten den Zuschauern sicherheitshalber schon mal, Regenschirme mit an die Strecke zu nehmen. Die könnte es auf die Strecke wehen.
Doch Regen, egal ob bei Tag oder Nacht, hat die Piloten ja zuletzt ziemlich wenig erschreckt. Und hat Sebastian Vettel zuletzt in Monza schließlich nicht auch bei Regen gewonnen? Für Singapur hat der sich eine ganz simple Strategie überlegt. „Licht aus, Fuß runter. Augen aufmachen.“
P. Hesseler, F. Cataldo