Leichtathletik-WM in Moskau: Hart, härter, Harting!
Deutschlands Diskus-King Robert Harting siegt auch in Moskau – und das trotz massiver Rückenprobleme. "Ich bin schon sehr erleichtert", sagt der 2,01-m-Mann. Jetzt ist auch Riedels WM-Rekord drin.
Moskau - Als 69,11 Meter auf der Anzeigetafel aufleuchteten, riss Robert Harting die Arme nach oben, brüllte: "Ja, Baby, jaaa!"
Der deutsche Diskus-King wusste: Das war der Gold-Wurf!
Seit der EM 2010 hat der 2,01-m-Hüne nun keinen großen Wettkampf mehr verloren – und dabei so einige Sport-Shirts zerrissen. Diesmal musste sein Hemd nach einer kleinen Verfolgungsjagd mit den Fotografen dran glauben, Harting zerrupfte den Stoff wie schon bei Olympia in London 2012 sowie den Weltmeisterschaften in Daegu 2011 und Berlin 2009.
"Der Arm der Vergeltung hat wieder zugeschlagen", kommentierte der 28-Jährige seinen 49. Wettkampfsieg seit Berlin 2009. "Ich bin schon sehr erleichtert, die Anspannung war groß, die Stunden zuvor im Hotel waren furchtbar."
Der 126-Kilo-Mann jagt nun den WM-Rekord von Lars Riedel, der fünf Mal Gold gewann, davon zwischen 1991 und 1997 vier in Folge. Harting: "Vielleicht reicht's, vielleicht nicht." Denn schon diesmal hatte es nicht leicht: Sein erster Wurf schlingerte, der zweite flog auf 68,13 m, der dritte rechts ins Netz.
Dann fasste sich Harting plötzlich an den Lendenwirbelbereich. "Er hat massive Rückenprobleme", sah Trainer Werner Goldmann. Eine "so genannte reflektorische Zugspannung" habe ihn behindert, erklärte Harting. Sich vom offiziellen Wettkampfarzt begutachten zu lassen kam aber nicht in Frage: "Wer weiß schon, wie die russischen Ärzte behandeln – mit Axt und Spaten?"
So tänzelte Harting unruhig im Innenraum umher. "Mein ganzer Körper hat gestreikt, aber glücklicherweise hat mein Kopf weiter gearbeitet", sagte er. Prompt geriet sein vierter Versuch zum Goldwurf – hart, härter, Harting. "Das Adrenalin hat geholfen. Ich lege mich jetzt auf die Physiobank, mal schauen ob die mich aushält", scherzte er hinterher.
Und meinte etwas ernster: "Ich bin auf einem guten Weg unanfechtbar in meinem Sport zu werden."
Silber holte Piotr Malachowski (Polen) mit 68,36 m, Dritter wurde Gerd Kanter aus Estland (65,19 m). Der Magdeburger Martin Wierig, 26, der Harting diese Saison schon schlagen konnte, wurde Vierter. Ihm fehlten 17 cm auf den Bronze-Rang. "Vollkommen okay, aber eine Medaille war möglich", sagte Wierig.
Harting drehte da schon seine Ehrenrunden, viel Anspannung fiel von dem Berliner ab. Neben dem Rücken zwickten zuletzt auch die Gelenke, Harting musste seine Technik umstellen.
Im Trainingslager in Kienbaum fand er zuletzt mangels Klimaanlage kaum Nachtruhe, was er dem Geiz des Bundesinnenministeriums anlastete. "Wir sollen Leistung bringen, können aber nicht einmal vernünftig schlafen", meckerte er. "Wir hatten nachts Türen und Fenster auf, aber da musst du schauen, dass nicht der Waschbär kommt."
Zudem durfte Harting in Moskau nicht mit seinem eigenen Diskus werfen. Seine zwei Kilogramm schwere Lieblingsscheibe schaffte es nicht durch die technische Abnahme.
Doch Goldmann sowie Freundin Julia Fischer, die in der Diskus-Quali gescheitert war, hielten den brummigen Harting auf Gold-Kurs. Beim sechsten, dann unbedeutenden Versuch hatte Fischer bereits Tränen in den Augen, um 20.16 Uhr Ortszeit fiel ihr der 28-Jährige endlich in die Arme, holte sich den Siegerkuss ab.
Im sonst so stillen Stadion tobte derweil erstmals während der WM der Bär. Harting: "Die Leute wissen eben, was richtiger Sport ist." Mit Gold noch auf die Piste – so wie in London – wollte er allerdings nicht mehr. "Hier feiert man lang und hart, vermute ich", sagte er, "aber ich habe keine Kraft mehr zum Tanzen. Ich muss mich ein bisschen durchhumpeln."
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