Laura Dahlmeier: "Das Gelbe Trikot macht Spaß"

München - Die AZ hat mit Laura Dahlmeier gesprochen. Die 23-jährige Biathletin aus Garmisch-Partenkirchen trägt nach dem ersten Weltcup-Wochenende der neuen Saison das Gelbe Trikot der Gesamtführenden.
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AZ: Frau Dahlmeier, haben Sie den Schreck schon verkraftet, dass Ihr Gewehr bei der Rückreise vom Weltcup-Auftakt in Östersund am Montag kurz abhanden gekommen ist?
Laura Dahlmeier: Ich wollte vom Flughafen so schnell wie möglich weiter nach Hause, weil wir eh nur zwei freie Tage daheim hatten, bevor es am Mittwoch schon wieder zum Weltcup nach Pokljuka (Slowenien, d.Red.) weiterging. Und dann steht man am Gepäckband und es kommt nichts an. Ich hab mich dann entschieden, noch am Flughafen zu warten, aber die nächsten Flüge hatten auch wieder Verspätung. Abends war ich dann heilfroh, als ich mit dem gesamten Gepäck daheim angekommen bin.
Haben Sie dann an den zwei freien Tagen wenigstens ein bisschen entspannen können?
Ich hab’s versucht. Aber mit Wäschewaschen, zusammenpacken, Post abarbeiten und dreimal Training war die Zeit auch gleich wieder rum.
Ihre Wäsche waschen Sie komplett selber?
Bei uns ist es leider nicht wie bei den Fußballern, wo man die dreckigen Trikots hinlegt und am nächsten Tag liegen Sie frisch gewaschen und gebügelt wieder da (lacht). Aber ich wohne in Garmisch zwar in einer eigenen Wohnung, aber im selben Haus wie meine Eltern, und wenn’s eng wird, hilft mir auch mal meine Mutter.
Der Weltcup-Start hätte für Sie kaum besser laufen können mit dem Sieg im Einzel und der Übernahme des Gelben Trikots der Weltcup-Führenden. Sind Sie selbst überrascht, dass es so gut gegangen ist?
Mit so einem Traumstart habe ich wirklich nicht gerechnet. Im Vorfeld habe ich mich gar nicht so fit gefühlt, gerade läuferisch. Umso schöner, dass es gleich mit meinem ersten Sieg in einem Einzel geklappt hat. Und das Gelbe Trikot ist einfach eine große Auszeichnung, eine Ehre, es zu tragen. Und es macht auch richtig Spaß, damit auf die Strecke zu gehen.
Eigentlich wollten Sie den Fokus gar nicht auf den Gesamt-Weltcup legen, sondern auf die WM im Februar in Hochfilzen. Planen Sie nun um?
Nein, für mich ist die WM nach wie vor der Höhepunkt. Dann will ich fit sein, dann möchte ich meine persönliche Bestleistung zeigen. Auf der anderen Seite will ich gesund bleiben und möglichst viele Rennen konstant gut laufen. Am Ende der Saison kann ich dann auf die Weltcup-Rangliste schauen: Wenn ich dann noch vorne dabei bin, wäre das eine Sensation, aber eben auch die logische Konsequenz aus konstanten Leistungen. Aber bis dahin möchte ich mich nicht zu sehr unter Druck setzen.
Als letzte Deutsche vor Ihnen hat Magdalena Neuner das Gelbe Trikot getragen. Eine weitere Parallele könnte sein, dass Sie Ihre Karriere relativ früh beenden. Sie haben mal gesagt, Sie möchten Biathlon nicht ewig machen.
Also da habe ich wirklich noch keinen Masterplan. Momentan macht mir Biathlon unglaublich viel Spaß, ich bin jeden Tag mit Freude dabei, und so lange das so ist, mache ich auch weiter. Aber bitte nicht verwundert sein, wenn ich Biathlon nicht bis 43 mache (lacht).
Sie haben viele Hobbys, die Ihnen Freude machen, allen voran das Bergsteigen. Im Frühjahr waren Sie sogar in Nepal.
Wir waren vier Wochen dort, ich und ein paar Freunde. Wir wollten Land und Leute anschauen, aber auch zum Bergsteigen gehen. Wir haben uns zwei Sechstausender im Himalaya ausgesucht, beim Island Peak (6189 Meter, d.Red.) waren wir alle auf dem Gipfel, auf unserem eigentlichen Ziel, dem Ama Dablam (6814 Meter) herrschten dieses Frühjahr sehr schwierige Verhältnisse, so dass wir 300 Meter unter dem Gipfel umkehren mussten. Aber alles in allem war der Trip super, um nach der Saison den Kopf freizubekommen.
Und Sie waren von den Lebensbedingungen der Menschen sehr beeindruckt.
Es ist wahnsinnig beeindruckend zu sehen, mit wie wenig die Menschen dort zurechtkommen. Vor unserer Tour sind wir in Lukla gelandet, einem der gefährlichsten Flughäfen der Welt. Von dort müssen die Leute alles zu Fuß tragen – egal ob Essen, Möbel oder Holzbalken, die jungen Männer dort tragen Lasten zwischen 30 und 90 Kilo auf dem Kopf. Mit 90 Kilo mache ich nichtmal eine Kniebeuge, und die tragen das zwei Tage durch die Gegend und bekommen dafür zwischen zehn und zwölf Dollar pro Tag. Wenn man sowas sieht, erdet einen das total.
Sie haben auch eine Patenschaft für einen jungen tibetischen Mönch übernommen.
Das ist aber unabhängig davon. Das ist eine Aktion der Initiative Oberland, dabei geht es um tibetische Flüchtlinge, die in Indien im Exil leben.
Zurück zum Bergsteigen. Waren Sie jemals in einer Situation, in der Ihnen richtig mulmig geworden ist?
Ich bin jetzt nicht der Adrenalin-Junkie, der sich immer nur die extremsten Situationen raussucht. Ich versuche sehr genau, das Risiko zu kalkulieren. Aber klar gibt es immer wieder Situationen, die nicht vorhersehbar sind. Bei meinem Sturz vor zwei Jahren zum Beispiel, als ich mir einen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen habe. Damals war ich mit meinem Vater im Zugspitzmassiv unterwegs, keine schwere Tour, wir waren perfekt vorbereitet, das Wetter war super. Und dann ist mir der Griff aufgebrochen. Aber ich bin aus dieser Situation nur stärker hervorgekommen.
Kommt von Ihrer Kletter-Leidenschaft auch Ihre mentale Stärke am Schießstand?
Das wird oft so geschlussfolgert. Ich kann das selbst gar nicht so genau sagen. Ich geh’ in die Berge, damit ich für mich Spaß habe, und weniger als Trainingseinheit für Biathlon.
Am Freitag beginnt mit dem Sprint (ab 14.15 Uhr/ZDF und Eurosport) der Weltcup in Pokljuka. Was können wir dort von Ihnen erwarten?
Schau’ ma moi, dann seng ma’s scho.