Lanzinger mit Prothese auf der Streif: "Schritt in ein neues Leben"

Wie Matthias Lanzinger, dem ein Unterschenkel amputiert worden ist, die Streif bezwingt. Der frühere österreichische Ski-Rennläufer hat sich vor dem Auftakt der Weltcup-Rennen in Kitzbühel einen Traum erfüllt.
von  Abendzeitung
Auf der Streif: Matthias Lanzinger, der bei einem Sturz sein linkes Bein verlor.
Auf der Streif: Matthias Lanzinger, der bei einem Sturz sein linkes Bein verlor. © dpa

KITZBÜHEL - Wie Matthias Lanzinger, dem ein Unterschenkel amputiert worden ist, die Streif bezwingt. Der frühere österreichische Ski-Rennläufer hat sich vor dem Auftakt der Weltcup-Rennen in Kitzbühel einen Traum erfüllt.

Unten im Ziel fielen ihm zwei alte Kollegen um den Hals. Steven Nyman und Marco Sullivan. „Hey, Matthias“, strahlten die beiden Amerikaner, „great to see you again.“ Ja, viele freuten sich, ihn wiederzusehen, ihn, Matthias Lanzinger, dem sie letzten März den linken Unterschenkel abgenommen hatten, der gestern mit einer Spezial-Prothese sein Comeback gab, als er erstmals wieder auf Skiern stand. Und das auf der Streif. 326 Tage nach seinem fürchterlichen und folgenschweren Sturz von Kvitfjell.

„Es war a guads Gfühl, das war der letzte Schritt zurück ins normale Leben“, sagte der 28-Jährige danach. Er sagte es leise, fast flüsternd, weil er so gerührt und ergriffen war. „Das Skifahren war das, was ich das ganze Leben geliebt habe. Dass ich das jetzt wieder tun kann, ist wunderschön. Davon habe ich seit meinem Sturz immer wieder geträumt.“ Auch wenn es mit der Prothese natürlich ganz anders ist als früher, wie er scherzte: „Zwischendrin bin ich mir vorgekommen wie ein Holländer, der das erste Mal auf Skiern steht.“

Vor dem zweiten Trainingslauf zur Abfahrt am Samstag war Lanzinger am Vormittag über die Streif gefahren, von ganz oben, über Mausefalle, Seidl-Alm, Hausberg, die ganze Strecke, nicht im Schuss natürlich, aber mit schönen schnellen Carvingschwüngen. „Manchmal bin ich schon wieder richtig auf Zug gekommen“, meinte Lanzinger, „nur bei manchen Schwüngen war es so, als sei mein linker Fuß eingeschlafen.“ Der, den er gar nicht mehr hat. „Die Einheit, die früher zwischen Bein und Ski da war“, sagte er, „die muss erst wieder kommen.“

Tat sie teilweise auch schon wieder. Ausfahrt Steilhang etwa, als er meinte: „Da war’s brutal eisig. Da hab voll auf der Prothese stehen müssen. Und erst jetzt habe ich gemerkt, was die Streif eigentlich für ein Wahnsinn ist.“ Ein Wahnsinn, den Lanzinger eine Stunde später selbst miterlebte. Beim bösen Sturz des Schweizers Daniel Albrecht.

Eine Rückkehr in den Wettkampfsport ist für Lanzinger im Moment kein Thema. „Daran denke ich nicht“, sagte der Salzburger zur AZ, „auch nicht an eine Teilnahme bei den Paralympics in Vancouver. Ich möchte das Skifahren einfach nur genießen. Und dass ich das kann, dafür danke ich meinem Prothesenbauer.“ Dem Orthopädietechniker Hannes Stabauer, der es dank stundenlanger Feinarbeit noch bis zum Mittwoch ermöglichte, dass sich Lanziger am Donnerstag seinen Traum zu erfüllen. Aber wie funktioniert diese Prothese, diese angepasste Maßanfertigung, eine rund 4500 Euro teure Verbindung aus Carbon, Titan und Aluminium?

„Das ist eine zusätzliche Manschette, die über das Kniegelenk geht“, erklärte Stabauer im Gespräch mit der AZ, „damit kann der Oberschenkel weitere Belastungen übernehmen, die sonst auf den Unterschenkel und damit die Prothese wirken.“

Dass Lanzinger damit wieder in den Leistungssport zurückkehren könnte und mit den Besten auf der Streif mithalten könnte, hält Stabauer für ausgeschlossen. Ein Unterschied zu Oscar Pistorius, dem beidbeining amputierten Leichtathleten aus Südafrika, der mit seinen Carbon-Prothesen über 400 Meter kaum langsamer ist als die westbesten Läufer mit zwei Beinen. „Pistorius läuft nur über die Ferse“, sagte Stabauer, „da wirken die Prothesen wie Federn. Einmal in Fahrt, ist der nicht mehr zu stoppen. Bei der Prothese vom Matthias wirkt so eine Dynamik natürlich nicht, das ist ein festes Konstrukt, das ihn natürlich im Vergleich zum Nichtbehinderten etwas einschränkt.“ Aber er werde sich bald daran gewöhnen, meinte Stabauer noch, für den Freizeitgenuss reiche es. „Wenn du vorher ein guter Skifahrer warst, dann bist du es mit Prothese auch.“ Wie ein Holländer wird Lanzinger nicht mehr lange fahren. Sondern doch wieder wie ein Österreicher.

Florian Kinast

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