Langsam in Schuss: Deutsche Olympia-Hoffnungen im Check

MÜNCHEN - Viele deutsche Olympia-Hoffnungen starteten miserabel in den Winter, bei manchen geht es allmählich aufwärts. Bei anderen gar nicht. Der AZ-Check, acht Wochen vor dem Beginn der Spiele in Vancouver.
Platz 1 im Medaillenspiegel, 29 Mal Edelmetall, davon elf in Gold. So war es vor bald vier Jahren, 2006 in Turin. Und so soll es natürlich bleiben. Das fordert schließlich schon der Oberfunktionär, Thomas Bach, Chef des Olympischen Sportbundes. „Wir wollen in Vancouver den Platz von Turin im Medaillenspiegel verteidigen“, sagt Bach. Aber ist das auch realistisch? Acht Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele im Westen Kanadas sind viele der deutschen Medaillenhoffnungen weit von ihrer Bestform entfernt, nur wenige starteten erfolgreich in die Saison, viele haben noch nicht einmal die Olympia-Norm erreicht. Der AZ-Olympia-Check in den einzelnen Disziplinen.
BIATHLON:
Immerhin, bei Magdalena Neuner zeigte sich ein leichter Aufwärtstrend. Die Plätze 3 und 2 in Pokljuka am Wochenende, das beste deutsche Ergebnis in dieser Saison. „Die Podestplätze waren wichtig für die ganze Mannschaft“, sagte Trainer Uwe Müssiggang erleichtert, schließlich war der Saisonverlauf bisher durchwachsen. Bei den Männern um Dreifach-Olympiasieger Michael Greis gab es einen kompletten Fehlstart, auch in Pokljuka blieb das Team ohne Podestplatz.
SKI ALPIN:
Auch wenn sich Maria Riesch am Sonntag beim Super-G von Val d’Isére maßlos über Platz 21 ärgerte („Total verkorkst“) und damit die Führung im Weltcup an Lindsey Vonn verlor – die 25-Jährige war bisher vor allem im Slalom überragend. Auch die anderen DSV-Frauen wie Schwester Susi oder Viktoria Rebensburg (starke Siebte im Super-G) überzeugen.
Ganz anders bei den Männern. Die schlittern von einem Debakel ins nächste. Rang 38 von Stephan Keppler bei der Abfahrt in Gröden war das beste DSV-Ergebnis am Wochenende. Weshalb Männer-Cheftrainer Karlheinz Waibel bereits am Können der Läufer zweifelt: „Ich muss sie nochmal fragen, ob sie Rennfahrer sein wollen.“ Völlig enttäuschend auch Felix Neureuther, er flog beim Riesenslalom von Alta Badia schon nach 19 Sekunden raus. So wird kein DSV-Läufer zu Olympia fahren.
LANGLAUF:
„Eine Erlösung“, jubelte Tobias Angerer nach dem zweiten Platz am Samstag im Sprint in Rogla, nachdem der zweimalige Weltcup-Gesamtsieger wie die meisten anderen DSV-Läufer bisher mächtig enttäuscht hatte. Völlig außer Form sind die Frauen, Claudia Nystad kam am Sonntag über 15 Kilometer als beste Deutsche auf Rang 20, Evi Sachenbacher gab nach nicht einmal fünf Kilometern auf. Cheftrainer Jochen Behle resigniert: „Mit diesen Platzierungen müssen wir wohl auch in absehbarer Zukunft leben.“ Und Vancouver ist absehbar.
SKISPRINGEN:
Martin Schmitt war glücklich, als er am Samstag in Engelberg Zehnter wurde. Das zeigt, wie die Ansprüche gesunken sind. Hoffnung macht Pascal Bodmer (19), der Anfang der Saison einmal Zweiter war, und seit Sonntag auch Michi Uhrmann. Beim Sieg von Simon Amman in Engelberg wurde der Niederbayer starker Fünfter.
NORDISCHE KOMBINATION:
Der Traum vom Olympiasieg scheint sich für Ronny Ackermann nicht zu erfüllen, der viermalige Weltmeister kriselt so sehr, dass er froh sein kann, wenn er überhaupt nach Vancouver fahren darf. Anders als Tino Edelmann, Eric Frenzel und Björn Kircheisen. Letzterer feierte am Sonntag beim Weltcup in Ramsau seinen ersten Saisonsieg.
EISSCHNELLLAUF:
Die Zeit der Altstars scheint vorbei. Nach dem Olympia–Aus der gesperrten Claudia Pechstein ist Anni Friesinger für die Spiele zwar nominiert, geschwächt durch Infekte und Knieprobleme ist eine Medaille in der jetzigen Form illusorisch. Hoffnungen gibt es, durch Jenny Wolf, Monique Angermüller, Daniela Anschütz und Sephanie Beckert.
BOB:
Altmeister Andre Lange fährt mit der Konkurrenz wieder Schlitten. Beim Weltcup in Altenberg feierte der 36-Jährige in Zweier- und Vierer einen Doppelsieg. Auf Medaillen hoffen auch Thomas Florschütz und Karl Angerer, bei den Frauen Sandra Kiriasis und Cathleen Martini.
RODELN:
Es gibt keine Sportart, die für die internationale Konkurrenz so langweilig und frustrierend ist wie Frauenrodeln. Seit zwölf Jahren siegen nur deutsche Frauen, 94 Erfolge gab es am Stück. Früher hießen sie Otto und Kraushaar, nur sind es Hüfner und Geisenberger. Spannender ist es bei den Männern, der Berchtesgadener Doppelweltmeister Felix Loch schickt sich an, legimierter Erbe vom Hacklschorsch zu werden.
CURLING:
Zumindest die Frauen sind olympiareif. Vor einer Woche holte das Team um die Garmischerin Andrea Schöpp EM-Gold in Aberdeen. „So etwas gibt Auftrieb für Olympia“, strahlte Bundestrainer Oliver Axnick.
Früher war Deutschland das Land der Dichter und Denker, später das der Skifahrer und Biathleten. Nun ist es das Land der Besenschrubber und der Steineschieber.. fk