Kusnezowa: Mit Gottes Hilfe zum French-Open-Sieg
Paris (dpa) - Das Küsschen von Steffi Graf verzückte Swetlana Kusnezowa fast noch mehr als die Trophäe vor ihren Augen. «Vielen Dank, Steffi, du bist eine große Athletin und eines meiner Idole», sagte die neue French-Open-Siegerin nach ihrem 6:4, 6:2-Erfolg im russischen Endspiel gegen Dinara Safina.
Später verriet sie: «Als ich sie vor dem Match kennenlernte, bin ich rot geworden.» Zehn Jahre nach ihrem letzten von sechs Roland-Garros- Triumphen überreichte «die Gräfin» ihrer Nachfolgerin Nummer sieben auf dem Center Court von Paris den Coupe Suzanne- Lenglen. Und ohne den Endspiel-Protagonistinnen Böses zu wollen - der höfliche Beifall galt Siegerin und Verliererin, der herzliche Applaus aber der früheren Nummer eins und 22-maligen Grand-Slam-Siegerin.
Mit ihrem Mann Andre Agassi besuchte die geborene Brühlerin an diesem Wochenende die französische Hauptstadt und wurde Zeugin eines spielerisch enttäuschenden und langweiligen Damen-Endspiels. «Ich habe mich selbst geschlagen», sagte Dinara Safina, als sie später im dunkelblauen Trainingsanzug zum journalistischen Rapport erschien. Auf die Frage, ob sie zurecht die Nummer eins sei, antwortete sie mit eisiger Miene: «Ich wollte nur gewinnen. Ich bin sehr enttäuscht. Aber morgen ist ein anderer Tag, es kommen andere Turniere.»
Die Weltranglisten-Erste, von Steffi Graf als «sehr konstant» geadelt, verlor ihr viertes großes Endspiel nach den French Open 2008, Olympia 2008 und den Australian Open 2009. Auch nach den 73 Final-Minuten muss die Schwester des früheren Ranglisten-Ersten und zweimaligen Grand-Slam-Siegers Marat Safin mit dem Makel leben, die Nummer eins zu sein, ohne ein Grand-Slam-Turnier gewonnen zu haben.
Ihre Jugendfreundin Swetlana Kusnezowa dagegen war beim Betreten des Pressekonferenzraumes kaum wiederzuerkennen. Fast emotionslos hatte sie bei der Siegerehrung auf dem Court Philippe Chatrier auf ihren zweiten Grand-Slam-Triumph nach den US Open 2004 reagiert, kaum ein Lächeln huschte über ihre Lippen. «Ich war geschockt», sagte sie. «Ich konnte meine Gefühle gar nicht zum Ausdruck bringen.»
Die sonst so farblose neue French-Open-Championesse erschien makellos geschminkt, in einem weiß glitzernden Hosenanzug und mit schwerem Kreuz um den Hals vor den Journalisten. Seit Jahren zählt sie zum auserwählten Zirkel der Top Ten und ist doch immer im Schatten anderer Tennis-Sternchen geblieben. Immer wieder starrte sie ungläubig auf den vor ihr aufgebauten Silberpokal.
Wobei «ungläubig» das falsche Wort ist für die in St. Petersburg geborene Fußball- und Tanz-Liebhaberin, die im Alter von sechs Jahren an einigen Radrennen teilnahm und dann auf Anraten ihres Vaters zum Tennis wechselte. «Ich glaube, dass Gott mir geholfen hat, das zu schaffen», sagte Swetlana Kusnezowa. Nach dem Matchball und nach der Pokalübergabe hatte sie sich bekreuzigt. «Ich musste so lange auf diesen Sieg warten. Gott hat es so gewollt», sagte sie.