Kurz knickt ein
Weil die Misere kein Ende nimmt: Löwen-Coach Marco Kurz kehrt zum alten Spielsystem zurück. Weil Präsident Rainer Beeck es so will?
MÜNCHEN Lars Bender (19) war gut gelaunt, als er am Mittwoch kurz vor Mittag auf seinem verschmutzten Mountainbike am Trainingsgelände einbog und vom Rad stieg: Zum einen hatte der U19-Europameister tags zuvor beim mühsamen 2:0 über die Drittliga-Reserve des VfR Aalen (AZ berichtete) den Härtetest nach einer Wadenverletzung bestanden. Aber fast noch wichtiger für ihn war: Sein gleichaltriger Bruder Sven spielt wieder neben ihm – in der Mittelfeldzentrale des TSV 1860. Wie in den letzten Jahren im Jugendbereich der Löwen oder auch beim deutschen EM-Triumph, als die Hrubesch-Elf den Nachwuchs von Weltmeister Italien mit 3:1 vom Rasen fegte. Nun fühlen sich die Benders wieder wohl. „Das tut schon gut“, Freude sich Lars Bender, „Sven und ich haben ja zusammen über Jahre gespielt. Es ist positiv, dass wir wieder zusammen spielen.“
Die Bender-Zwillinge wieder als Doppel-Sechs bei den Löwen, das heißt: Marco Kurz ist eingeknickt. Er hat sich von seiner bislang wenig erfolgreichen Mittelfeld-Raute, die er im Trainingslager in Bad Radkersburg pausenlos einstudierte („Wir wollen so spielen wie Werder Bremen“) nach nur drei Zweitliga-Spielen und null Punkten wieder verabschiedet.
Ob sich der Trainer etwa den Präsidenten-Rüffel doch mehr zu Herzen genommen als er verraten hat? Hobby-Fußballer Rainer Beeck hinterfragte letzte Woche Kurz’ neues Spiel-System: „Wird das so begriffen? Finden sich alle Spieler in diesem Spielsystem wieder? Die Herausforderung für den Trainerstab ist jetzt, Fehler zu suchen und das, was nicht funktioniert hat, zu ändern."
Ob nun deshalb oder nicht: Kurz hat etwas geändert. Oder lag’s an den vielen intensiven Gesprächen in der Länderspiel-Pause mit der Mannschaft, die Kurz zur Überzeugung gebracht haben, wieder zum alten System zurückzukehren? Zumindest sieht Stefan Reuter dies so. „Es geht in diese Richtung“, sagte der Sportdirektor, „natürlich haben wir die letzten Tage auch darüber gesprochen, aber das ist eine Entscheidung, die Marco ganz alleine getroffen hat.“ Und was sagt der Trainer selbst? „Es ist müßig, das immer wieder zu erklären“, antwortete Marco Kurz gestern sichtlich genervt.
Aber auch wenn der Cheftrainer darüber nicht sprechen will, seine Spieler tun es dennoch. Über die neue taktische Formation redet beispielsweise Vize-Kapitän Danny Schwarz. Der Mittelfeldspieler findet den Abschied von der ungeliebten Mittelfeld-Raute förderlich für den TSV 1860: „In der Vergangenheit sind wir mit dem System mit der Doppel-Sechs, zumindest in der letzten Vorrunde, sehr gut gestanden, dass uns sogar andere Trainer der Zweiten Liga dafür gelobt haben, dass es eklig ist, gegen uns zu spielen. Ich hoffe, dass wir jetzt auch mal wieder zu Null spielen.“ Beim Test gegen den VfR Aalen hat das zumindest ordentlich funktioniert. Ob’s aber auch gegen Bundesliga-Absteiger MSV Duisburg (Montag, 20.15 Uhr, DSF und Premiere live) klappt?
„Es ist wichtig“, sagte Sportdirektor Stefan Reuter gestern, „dass die Mannschaft wieder ihre Sicherheit bekommt.“ Und Reuter glaubt, dass die Löwen diese mit dem neuen und alten Spielsystem in der Länderspielpause gefunden haben. Aber der Weltmeister von 1990 warnt gleichzeitig auch seine Elf: „Wir brauchen jetzt nicht zu sagen, wir spielen guten Fußball. Ich will Leidenschaft und Kampf sehen. Was wir brauchen, ist Aggressivität.“ Beweistermin: Am Montag in der Allianz Arena. Gegen Duisburg.
Oliver Griss