Kubicas Geheimnis: Eine riskante Diät
Daniele Morelli ist der Entdecker des Formel-1-Aufsteigers Robert Kubica. Der Italiener erklärt im AZ-Interview, wie er den neuen BMW-Star nach oben brachte - und beschreibt die stressigsten Tage seines Lebens.
AZ: Herr Morelli, Ihr Zögling Robert Kubica fuhr am Wochenende im BMW aufs Podium, er ist der Aufsteiger der Saison. Wie kam’s dazu?
DANIELE MORELLI: Die Saison 2007 war für Robert schwierig und nicht optimal. Also haben wir uns im Winter zusammengesetzt und einige Änderungen vorgenommen.
Was heißt das konkret?
Das sind sehr komplizierte Vorgänge. In seinem technischen Umfeld gab es nach der Saison Rotationen, um frischen Ideen Raum zu geben. Er bekam einen neuen Renningenieur, ohne den alten zu verlieren, der arbeitet auch noch in Roberts Crew mit. Außerdem haben wir sein Trainingsprogramm verbessert.
Und er hat eine Diät gehalten, richtig?
Ja, und zwar eine recht radikale. Er hat fast nichts mehr gegessen. Sechs Wochen lang, bis eine Woche vor dem Saisonstart in Australien. Er hat sieben Kilo verloren, zehn Prozent seiner Substanz.
Das ist wohl einmalig in der Formel 1!
Mag sein, aber so ist Robert. Die Diät war riskant, weil wir nicht wussten, ob er das nötige Durchhaltevermögen für die Rennen haben würde. Aber diese Sorgen bestätigten sich nicht.
Momentan ist er sogar schneller als Heidfeld.
Schneller zu sein als der Teamkollege hilft jedem Fahrer. Aber für Robert ist das nicht so wichtig. Er will schneller sein als alle anderen.
Robert und Nick Heidfeld sind auf der Strecke schon zwei Mal aneinander geraten. Neben der Strecke ist aber noch nichts passiert. Woran liegt das?
Ich glaube, sie respektieren sich einfach, weil sie den jeweils anderen gut verstehen können. Und die Teamführung steuert dieses knisternde Duell sehr geschickt. Mario Theissen lässt da erst gar nichts aufkommen.
Ist Kubicas Härte seine stärkste Waffe?
Sie ist auf jeden Fall außergewöhnlich. Ich habe zehn Jahre nach so einem Fahrer gesucht.
Wie haben Sie ihn denn gefunden?
Er hat mich gefunden. Robert lebte schon ein paar Jahre alleine in Italien und war ziemlich erfolgreich mit seinem Kart. Aber er hatte ständig mit Geldsorgen zu kämpfen. Jemand hat ihm dann meinen Namen gesteckt. Eines Tages kam er dann mit seinem Vater von Polen nach Monaco. Im Truck, die waren 24 Stunden unterwegs! Und dann haben wir geredet. Robert war 16, sein Vater saß dabei und sprach kein Wort. Da war ich schon mal sehr beeindruckt.
Was macht Kubica so einzigartig für Sie?
Robert signalisierte mir vom ersten Tag an, dass er hungrig nach Erfolg ist und vor allem bereit war, etwas dafür zu tun. Ich bin am Anfang in Polen auf Sponsorensuche gegangen, aber das war reine Zeitverschwendung. Da gab es weder das Interesse am Motorsport, noch TV-Übertragungen oder irgendeine Rennkultur. Der Motorsport war einfach nicht existent. Genauso gut hätte ich auch auf dem Mond nach Geldgebern suchen können.
Bekannt wurde Robert aber trotzdem.
Ja, das war 2003. Kurz vor seiner ersten Formel-3-Saison wurde bei einem Autounfall – Robert war Beifahrer – sein rechter Arm fast zerstört. Robert rappelte sich binnen 70 Tagen hoch und wurde mit all seinem angesammelten Frust bei seinen ersten Rennen danach Erster und Zweiter. Danach war er auch in Polen bekannt.
Wie ist er eigentlich bei BMW gelandet?
Eigentlich waren wir uns fast schon mit Renault einig. Am 1. Dezember 2005 testete er den Renault F1, das Weltmeisterauto diesen Jahres. Und nach 40 Runden war er damit genauso schnell wie der damalige Testfahrer Franck Montagny, der mit dem Auto schon 8000 Kilometer hinter sich hatte.
Wieso hat Renault da nicht zugeschnappt?
Renault wollte, bevor sie ihm einen Testvertrag anbieten wollten, einen zweiten Test als Bestätigung. Und dann kam gleichzeitig Peter Sauber, der frühere Sauber-Teamchef, auf mich zu, und fragte mich, ob wir uns alle zusammen mit BMW treffen könnten. Mario Theissen hatte Robert in Macao Formel 3 fahren sehen und war bereits positiv gestimmt. Überdies hatte ich Herrn Sauber zuvor Felipe Massa als Fahrer empfohlen. Der hatte sich als Treffer erwiesen. Deshalb dachte Sauber, der Kubica müsse ebenfalls gut sein.
Ach so läuft so was in der Formel 1?
Genau. Mein Problem war nur, dass Renault wollte, dass ich bis zu einem bestimmten Freitagabend den Vertrag unterschreiben sollte. Wir wollten aber zu BMW, hatten aber noch keine Zusage aus München. Also habe ich den Renault-Termin einfach verstreichen lassen.
BMW sagte dann aber doch zu.
Ja, fünf Tage später! Glauben Sie mir, das waren die stressigsten Tage meines Lebens. Aber es hat sich gelohnt, dann ging alles ganz schnell. Ein halbes Jahr später übernahm Robert schon das Cockpit von BMW-Stammfahrer Jacques Villeneuve.
Interview: Peter Hesseler