Krasniqi: „Die Herzen hat Wladimir noch nicht gewonnen“

Schwergewichtler Luan Krasniqi, der einst sowohl Chagaev als auch Klitschko besiegt hat, glaubt, dass der ukrainische Weltmeister seinen Kampfstil ändern muss, um ein ganz Großer zu werden.
AZ: Herr Krasniqi, am Samstag kommt es in der Arena auf Schalke zwischen Wladimir Klitschko und Ruslan Chagaev zum Kampf des Jahres. Zwei Champions, die Sie zu Amateurzeiten beide besiegt haben.
LUAN KRASNIQI: Dies ist ein großer Kampf, auf den ich mich richtig Freude. Es sind beides gute Boxer, aber eben auch beide schlagbar. Vielleicht kommt ja meine Chance auch noch einmal. Aber jetzt hat Chagaev, der für den verletzten David Haye eingesprungen ist, die Chance seines Lebens. Er ist ein würdiger Gegner. Als Haye abgesagt hat, habe ich schon das Schlimmste befürchtet, dass Wladimir wieder irgendeinen Gegner vor die Fäuste bekommt, der ihn nicht fordert und auch nicht fordern kann.
So wie Hasim Rahman etwa, den er zuletzt boxte und locker ausknockte.
Genau. Ruslan ist jetzt der erste echte Prüfstein, den Wladimir seit langem hatte. Er hat keine Angst vor Klitschko.
Wie kann Chagaev Klitschko schlagen?
Es gibt nur eine Möglichkeit, Wladimir zu besiegen. Das ist, ihn in Bedrängnis zu bringen, ihn aus seiner Komfortzone zu zwingen. Dann, wenn er wirklich kämpfen muss, wenn er nicht den Kampf mit seinem Jab bestimmen kann. Das wird Chagaev tun, er muss es schaffen, dass er den Schachspieler Klitschko im Ring ausschaltet und Wladimir zwingt, zum Kämpfer zu werden. Er muss den wahren Wladimir herauskitzeln. Den haben wir lange nicht mehr gesehen. Wladimir hat durch seine Niederlagen gegen Lamon Brewster und Corrie Sanders in seiner Karriere schon viel Lehrgeld bezahlt. Diese Erfahrungen fehlen Chagaev, er hat bei den Profis noch nie verloren. Wenn es Ruslan gelingt, den Wladimir von früher hervorzuholen, kann er gewinnen. Sonst nicht. Denn Wladimir hat aus seinen Fehlern gelernt, seinen Stil umgestellt.
Wie würden Sie diesen Stil beschreiben?
Ganz klar, er ist der ökonomischste Boxer des Schwergewichts. Er bringt minimalen Einsatz und erzielt maximalen Erfolg. Er scheut jedes Risiko und vermeidet jede Situation, die ihn in Gefahr bringen kann. Diesen Stil hat er perfektioniert. Aber die Herzen der Fans weltweit hat er so nicht gewonnen. Wenn man sich an seinen Kampf in New York gegen Sultan Ibragimow erinnert, das war eine traurige Vorstellung. Kein Risiko, die Fans haben ihn sogar ausgebuht. Das war traurig – und deswegen wird es für ihn auch schwierig.
Auch Klitschko-Trainer Emanuel Steward spricht davon, dass Wladimir noch einige definierende Kämpfe bräuchte, um sich seinen Platz in der Box-Geschichte zu sichern. Kann der Chagaev-Kampf einer dieser Fights sein?
Er wird zumindest eine echte Probe sein, und vielleicht wird Wladimir von sich etwas zeigen müssen, was er gerne versteckt. Eben den Kämpfer. Daher ist auch dieser Fight für ihn wichtig. Denn sein Kampfstil ist bei den Zuschauern, die keine Klitschko-Fans sind, nie angekommen. Wenn er so weiter macht, wird er auch nie ankommen. Es ist perfekt, aber die Zuschauer wollen auch Drama sehen, ein Geben und Nehmen. Bei Wladimir ist es nur noch ein Geben. Das ist klinisch. Aber die Fans lieben einen Muhammad Ali, einen Joe Frazier, einen Lennox Lewis oder einen Mike Tyson. Die hatten einen Stil, der die Menschen bewegt. Wenn Klitschko da hin will, muss er im Ring mehr von sich selber preis geben. Den Schachspieler in sich eliminieren.
Welcher der Fighter, die Sie schon besiegten, gewinnt?
Wladimir. Nach Punkten.
Interview: Matthias Kerber