Kohlschreiber? Coolschreiber!
Philipp Kohlschreiber schlägt den US-Aufschlagriesen John Isner und wird so zum New Yorker Partyschreck. Altmeister McEnroe: "Ich ziehe den Hut vor dieser Leistung." Jetzt geht’s gegen Nadal.
New York - Auf dem Court trommelte ihm der 2,07-Meter-Gigant John Isner mit Spitzengeschwindigkeiten von 230 Kilometern die Aufschläge um die Ohren. Auf den Rängen des prallvollen Louis-Armstrong-Stadions hatte er scheinbar ganz Amerika gegen sich, der einsame Kämpfer Philipp Kohlschreiber.
Doch im bisher hitzigsten Match dieser US Open 2013 behielt er eisern die Ruhe, spielte mit Kraft und Eleganz gleichermaßen – und zeigte endlich einmal auf ganz großer Tennisbühne ganz viel Mumm und Courage: In der Paraderolle von "Mister Coolschreiber, der Partyschreck" rückte der Augsburger mit dem 6:3, 4:6, 7:5, 7:6-Triumph über Aufschlagriese Isner ins Achtelfinale der US Open gegen Rafael Nadal.
Gegen den mallorquinischen Matador, so fand Kohlschreiber, werde es durchaus Zeit, "mal eine neue Geschichte zu schreiben", nämlich die eines Sieges gegen einen „der ganz Großen bei einem Grand Slam. Das wäre toll."
Mit genügend Selbstbewusstsein konnte Kohlschreiber in das Duell mit dem Spanier gehen, der in diesem Jahr noch kein Hartplatzmatch verloren hat – nach dieser Ego-Auftankung. "Es war eine verrückte Schlacht. Ich bin stolz, dass ich durchgekommen bin", sagte der 29-Jährige, der sich als großer Spielverderber fürs US-Tennis und die New Yorker Fans entpuppte.
Schließlich galt Isner als letzter großer heimischer Hoffnungsträger. Vor dem deutschen Gewinner verneigte sich am Ende des dramatischen Vergleichs ein Großer des Sports, der frühere Supermann John McEnroe: "Wie er sich in dieser aufgeladenen Atmosphäre durchgesetzt hat, das war schlichtweg beeindruckend. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung."
Tatsächlich präsentierte Kohlschreiber in den alles entscheidenden Momenten das Profil eines Champions: Der sonst gern mal Wankelmütige ging volles Risiko. Immer neue Attacken ritt Kohlschreiber, er machte mächtig Druck in diesem Grand-Slam-Hexenkessel, in dem die Emotionen sich mal fair, mal aber auch unfair Bahn brachen.
Auf der Zielgeraden der Partie musste sogar Schiri Damien Dumoisis (Frankreich) eingreifen, nachdem Freunde von Isner in dessen Spielerbox einen Doppelfehler von Kohlschreiber mit hämischem Applaus quittiert und noch dazu mehrfach in seine Servicebewegungen hereingerufen hatten. Der Referee sprach einen heftigen Rüffel aus.
Kohlschreiber, der in Wimbledon in der 1. Runde aufgegeben hatte, bekam mit dem Isner-Coup so noch die Kurve in diesem Tennis-Sommer. Vergangenes Jahr hatte er Isner in einer denkwürdigen Nachtvorstellung geschlagen. Nun schlug er erneut Isner in einer elektrisch aufgeladenen Arena, in der er nur wenige Freunde hatte.
"Es sind diese Momente, für die du diesen Sport machst", sagte Kohlschreiber, "am Ende war es so laut, dass ich mein eigenes Wort nicht mehr verstand." Am Ende des Drei-Stunden-Thrillers offenbarte Kohlschreiber noch einmal große Klasse.
So konnte er umgehend den eigenen Aufschlagverlust zum 5:6 im vierten Satz und die drohende Verlängerung der Partie mit einem Rebreak zum 6:6 wettmachen. Und gewann dann gegen den König der Tiebreaks (Isners Bilanz 2013: 33:14) die Glückslotterie mit 7:5.
"Du kannst nur raten, wo er den Ball hin ballert. Und dann versuchen, das Ding zurückzubringen", sagte Kohlschreiber, "es war einer meiner besten zehn Siege überhaupt." Ein noch besserer, der ultimative Sieg eigentlich, könnte folgen. Montagabend, in New York, gegen Nadal.